: Elf Tote bei Militäroffensive in Gaza
Nach dem Busanschlag von Haifa übt die israelische Armee Vergeltung. Gleichzeitig genehmigt die Regierung ein Treffendes PLO-Zentralrates in Ramallah. Dort soll am Wochenende ein palästinensischer Ministerpräsident gewählt werden
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Elf Palästinenser sind in der Nacht zum Donnerstag ums Leben gekommen, als die israelische Armee eine Großoffensive im Flüchtlingslager Jabalia im nördlichen Gaza-Streifen durchführte. Unter den Toten waren mindestens acht Zivilisten, die von einer Panzerrakete überrascht wurden, als sie versuchten, die neu gezimmerten Möbel aus einer Tischlerei zu retten, die bei dem Angriff in Brand geriet. Die israelische Armee streitet den ihr zur Last gelegten Raketenbeschuss ab und behauptet, die Explosion sei innerhalb des Gebäudes gezündet worden. Ein Regierungssprecher bedauerte unterdessen den Tod unbeteiligter Zivilisten.
Als „Akt der Vergeltung“ bezeichnete der palästinensische Friedensunterhändler Saeb Erikat die Offensive, die während der ersten Sitzung des neuen Sicherheitskabinets beschlossen wurde. Überraschend dabei ist, dass der Palästinenser, der sich am Vortag in einem Haifaer Bus in die Luft gesprengt hatte, nicht aus dem Gaza-Streifen kam, sondern Student in Hebron im Westjordanland war. Auf den Bezug zum Flüchtlingslager Jabalia angesprochen, erklärte Polizeiminister Zachi Hanagbi gegenüber der „Stimme Israels“, dass die Führung der Hamas im Gaza-Streifen stationiert sei. Tatsache ist, dass seit Beginn der seit 30 Monaten andauernden Intifada kein einziger Selbstmordattentäter aus dem Gaza-Streifen nach Israel vorgedrungen ist.
Hamas bekannte sich nicht zu dem Busanschlag. Dennoch lobte Abd-el Asis Rantisi, politischer Sprecher der islamistischen Widerstandsorganisation, das Attentat. Rantisi setzte hinzu, dass die Hamas von einer Kapitulation weit entfernt sei und ihren Kampf fortsetzen werde. Von offizieller palästinensischer Seite wurde das Attentat umgehend verurteilt. Der neue Gewaltakt werde nicht nur „die Aufmerksamkeit von den 150 palästinensischen Zivilisten, die innerhalb der vergangenen zwei Monate von Israel getötet wurden, ablenken“, erklärte Informationsminister Jassir Abed Rabbo, sondern sie unterminiere zudem die Anstrengungen hinsichtlich einer palästinensischen Reform.
Am kommenden Wochenende wird Palästinenpräsident Jassir Arafat dem PLO- Zentralrat aller Voraussicht nach den von ihm favorisierten Mann für das Amt des Ministerpräsidenten vorstellen. Er kommt damit einer zentralen Forderung des so genannten Quartetts, bestehend aus den USA, UNO, EU und Russland, nach. Berichten zufolge steht Arafats persönlicher Vertrauter Monib al-Masri, ein Geschäftsmann aus Nablus, zur Diskussion. Seine Ernennung kann jedoch nur nach Zustimmung der palästinensischen Minister erfolgen.
Ungeachtet des Attentates genehmigte die israelische Regierung die geplante Zusammenkunft des PLO-Zentralrates in Ramallah. Politische Beobachter in Jerusalem rechnen derzeit nicht mit weiteren Vergeltungsmaßnahmen der Regierung, auch um nicht den palästinensischen Reformprozess zu torpedieren. Dazu kommt, dass Jerusalem die USA derzeit nicht unnötig vor den Kopf stoßen will.