Die Chefin aus dem Ruhrpott

Wenn Werftarbeiter entlassen werden, dann ist es Ulrike Bohnenkamp, die den Männern sagt, wie es mit ihnen weitergeht. Ihr Credo: „Wat man kann, dat muss man verkaufen“

„Wenn man Skat spielt, passt das schon“„Defizitpolitik war nie mein Ding“

Ihr Job ist Ulrike Bohnenkamp in die Wiege gelegt worden. Die Wiege stand in Recklinghausen, mitten im Ruhrgebiet. „Wenn man aus so einer Region kommt, ist Strukturwandel ein Begriff“, sagt die 44-Jährige, die als Kind und Jugendliche die ersten Zechenschließungen miterlebt hat.

Heute ist Ulrike Bohnenkamp zur Stelle, wenn Werften konkurs gehen, auch bei der Abwicklung des Bremer Vulkan war sie mit ihrer Firma beteiligt. Als Geschäftsführerin der „Agentur für Struktur und Personalentwicklung“ sucht sie zurzeit für die Auszubildenden der insolventen SSW-Werft in Bremerhaven nach einer Lösung.

Transfer- oder Auffanggesellschaften werden solche Firmen genannt, die in Krisensituationen auf die Straße gesetzte Arbeitnehmer unterbringen sollen oder für andere Jobs weiterqualifizieren. Ulrike Bohnenkamp und ihre Geschäftspartner sind dann Chefs auf Zeit für diese Gesellschaften. Zurzeit sind es 47 über Deutschland verteilt. Bei wichtigen Betriebsversammlungen überbringt Ulrike Bohnenkamp die schlechte Nachricht persönlich. „Das ist schon brutal, wenn ich vor so 250 Leuten stehe und denen sagen muss, ‚jetzt ist Schluss‘“, sagt Bohnenkamp.

Fast immer sind es Männer, mit denen sie in ihrem Job zu tun hat. „Guten Tag Frau Bohnenkamp, guten Tag meine Herren heißt es dann immer.“ Ein Problem hat sie damit nicht. „Bodenständigkeit“ hat eben auch in der Wiege gelegen. „Ich konnte mich schon mit 20 unter Stahlarbeitern bewegen – und wenn man Skat und Doppelkopf spielt, dann passt das schon.“

Als sie noch in Dortmund studiert hat, war sie regelmäßig im Stadion, bei Borussia. Jetzt geht sie ab und an ins Weserstadion – die 12-jährige Tochter hat es mehr mit Werder Bremen. Viel Zeit hat die allein erziehende Mutter bei einer 60 bis 70 Stunden-Woche allerdings nicht für ihre Tochter. Wenn sie in Bremen ist, versucht sie in der Mittagspause heim zu fahren. „Oder ich nehme sie halt einfach mit“ – so wie vor drei Jahren, als sie zu der konkurs gegangenen Werft bei Brokdorf musste. Während die Mutter Verhandlungen führte, bekam die Tochter eine Werksführung. Davor hatte sich ihr damaliger Mann um Kind und Haushalt gekümmert. Dass sie arbeitet, war für sie selbstverständlich. „Für mich wäre das furchtbar, wenn ich mich finanziell von einem Mann abhängig machen müsste.“

Wieder war es das Ruhrgebiet, das sie geprägt hat. Genauer: Der vergleichsweise niedrige Anteil von berufstätigen Frauen. „Die Frauen konnten ja gar nicht arbeiten, weil die Männer alle im Schichtdienst waren. Irgendjemand musste die Stellung halten.“ Schon früh habe sie gemerkt, „dass da was nicht stimmen kann.“

Sie wollte es anders machen. Das Selbstbewusstsein dafür habe sie auf der Mädchenschule getankt. Abitur hat sie schließlich an einer gemischten Schule gemacht. „Da konnte mir niemand mehr erzählen, dass ich keinen Matheleistungskurs machen kann.“ Anschließend hat sie an der ingenieurswissenschaftlich geprägten Universität Dortmund Raumplanung studiert. „Das war damals mit fünf Prozent Frauenquote der Frauenstudiengang.“ Zu dieser Zeit habe sie auch ihre „lila Phase“ gehabt, wie sie es nennt. Ein Bewusstsein für Ungleichheiten ist ihr geblieben, aber ihr Haupt-Thema ist das nicht. „Defizitpolitik war nie mein Ding“, sagt die erfolgreiche Geschäftsfrau. Also nicht jammern, was Frauen alles vorenthalten wird oder schlecht läuft, sondern: „Wat man kann, dat muss man verkaufen.“ Das Ruhrgebiet in ihr ist nicht zu überhören. Eiken Bruhn