Die Bilanz

Acht Jahre große Koalition – die Bremer Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe resümiert

rauenpolitik ist kein Geschäft der schnellen Erfolge. Einiges ist in Gang gekommen in den vergangenen acht Jahren der großen Koalition, anderes nicht. Die Bilanz der Landesgleichstellungsbeauftragten Landesfrauenbeauftragten Ulrike Hauffe und der Zentralstelle zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) lässt sich nicht auf einen Nenner bringen.

Vor allem ist Frauenpolitik eine Querschnittsaufgabe: Sie betrifft alle Bereiche der Politik – erstmals vor vier Jahren hat es Ulrike Hauffe geschafft, dass frauenpolitische Forderungen verstärkt Aufnahme in die Koalitionsvereinbarung fanden. Trotz reduzierter Finanzmittel, sagt Hauffe, „waren wir überhaupt nicht leiser und auch nicht weniger effektiv.“

Her mit mehr Schule

Die Pisa-Studie war für Bremen fatal, dennoch: „Ich bin Pisa dankbar“, sagt die Frauenbeauftragte, „denn Pisa hat uns Schwung in Richtung Ganztagsschule gegeben.“ Dass die Ganztagsschule zur Regel werde, fordert sie längst. Deutschland tue sich nicht zuletzt deshalb so schwer damit, sagt die gelernte Psychologin, weil hier mehr als in anderen europäischen Ländern der Betreuung in der Familie eine sehr große – nach Hauffes Meinung überbewertete – Rolle zugeschrieben wird.

Noch etwas hat Pisa, sehr zu Hauffes Zufriedenheit, gezeigt, nämlich „die soziale Inkompetenz von Jungen.“ Nun sieht sie sich gestärkt in ihrer längst erhobenen Forderung nach expliziter Jungsförderung und nach einer Dreiteilung der Mittel für Jugendförderung, je ein Drittel für die Mädchen-, die Jungs- und die koedukative Arbeit. „Das wurde längst beschlossen“, so Hauffe, „aber nie umgesetzt.“

Endlich eine Instanz

Die Mädchenarbeit hätte nach Hauffes Geschmack besser laufen können. Immerhin drei Projekte arbeiten stabil. „Im Grunde haben wir nicht wirklich etwas erreicht, bis auf eins: Im Amt für Soziale Dienste gibt es endlich eine Mädchenkoordinatorin.“ Sie soll die Mädchenarbeit forcieren und Qualitätsstandards entwickeln.

Eindeutig ein Fortschritt sei die verlässliche Grundschule, auch die Sicherung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz für die Drei- bis Sechsjährigen verbucht Hauffe als Erfolg, wenngleich ihr die täglichen vier Stunden Betreuung noch zu wenig sind. „Wir werden zur nächsten Legislaturperiode fordern, dass es zu einer Ausweitung auf sechs Stunden kommt.“

900 Kids warten

Als „katastrophal“ bewertet die Frauenbeauftragte die Betreuungssituation der Kinder unter drei Jahren. 900 Kinder seien auf der Warteliste, gerade mal sieben Prozent in Betreuung. „Der Bereich muss dringendst ausgebaut werden“, sagt Hauffe. Obwohl das bereits in der letzten Koalitionsvereinbarung festgeschrieben war. Bremen steht mit einer Versorgung von sieben Prozent noch vergleichsweise gut da – bundesweit sind nur 5,6 Prozent der Kinder unter drei in Betreuung. „Aber der Bedarf ist nun mal da“, sagt sie, „und ein Stadtstaat muss sich da anders berechnen lassen als ein Flächenland.“

Einzig positiv seien drei Projekte betrieblicher betriebsnaher Kinderbetreuung, die mit Hilfe der ZGF zustande kamen. Hier teilen sich Betrieb und Eltern die anfallenden Kosten.

Mehr Mut: lieber nicht

Hauffe hat sich stark gemacht für mehr Mut bei der Erprobung von Arbeitszeitmodellen, besonders auch in Führungspositionen. Gerade dort wären Teilzeit, Jobsharing oder andere Modelle attraktiv – „hier sollte der öffentliche Dienst Vorreiterrolle übernehmen“, sagt die Frauenbeauftragte. Tut er aber nicht. „Das ist uns nicht gelungen“, so Hauffe.

Rundum positiv bewertet sie die Veränderungen im Bereich der Existenzgründungen. „Frauen gründen anders“, kleiner nämlich, überschaubarer weil vorsichtiger – diese Erkenntnis ist inzwischen längst bei den Beratern angekommen. Die Bremer Existenzgründungsinitiative BEGIN kooperiert inzwischen mit vier Frauenprojekten.

Hartz ist „unverschämt“

Weniger gut für Frauen sieht es aus in der Arbeitsmarktpolitik. Die Hartz-Gesetze, kritisiert Ulrike Hauffe, werden für mehr Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern sorgen. Denn gefördert werden künftig die Leistungsstarken unter den Arbeitslosen. Allein Erziehende oder Frauen, die sich nach der Elternzeit neu qualifizieren müssen, aber auch Migrantinnen zählen nicht dazu. „Und das, obwohl in der Präambel von Hartz der Satz steht, dass alle Maßnahmen darauf geprüft werden müssen, ob sie zur Chancengleichheit beitragen“, sagt Hauffe, „ich finde das richtig unverschämt.“ Sie wird ein Landesprogramm für Chancengleichheit fordern – um die negativen Hartz-Folgen für Frauen zu kompensieren. Die Arbeitssenatorin habe schon Bereitschaft signalisiert.

„Das schaffen Sie nie“

Erfolge verbucht Hauffe im Bereich Wissenschaft: Hier ist ein Verbundprojekt zwischen Hochschule und Universität zur Förderung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik ins Leben gerufen worden – „das schaffen Sie nie“, sei ihr zu Beginn ihrer Initiative entgegen geklungen, erinnert sich Hauffe, „die wussten wohl nicht, was sie damit bei mir anrichten.“ Sie hat es geschafft.

Auch ein Erfolg ist das Bremer Wegweisungsrecht, das Frauen vor ihren prügelnden Männern schützen soll. Die Polizei werde geschult, das laufe gut, so Hauffe: „Der Innensenator ist da sehr engagiert.“

Senatoren sensibilisiert

Das von der EU verordnete Mittel für mehr Chancengleichheit lautet Gender Mainstreaming – eine Methode, bei allen Entscheidungen die Folgen sowohl für Frauen als auch für Männer im Blick zu haben. Inzwischen sollte jeder Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung wissen, was das ist: Hauffe hat der Gehaltsabrechnung ein Faltblatt „Gender Mainstreaming“ beilegen lassen. Eine Arbeitsgruppe von Gender-Beauftragten auf Ebene der Abteilungsleiter aller Ressorts soll den Gedanken Stück für Stück in die unteren Ebenen der Hierarchie transportieren. „Da läuft gerade der Sensibilisierungsprozess“, sagt Hauffe, „diese Phase hat bei den Senatorinnen und Senatoren schon stattgefunden. Da merkt man auch, wie’s greift.“

Ulrike Hauffe bezeichnet sich selbst als „Großkoalitionärin“. Sie arbeitet seit acht Jahren mit der großen Koalition „Vielleicht hätten wir unter einer anderen Koalition mehr Anschub bekommen“, sagt sie, „aber das kann ich nicht wirklich beurteilen.“ Sie überlegt und sagt: „Jetzt habe ich manchmal den Eindruck, man lässt uns einfach machen – und das tun wir!“ sgi