: Busemanns Brett vorm Kopftuch
Während Niedersachsens Kultusminister das Kopftuch-Verbot im Schulgesetz verankern will, sagt Ministerpräsident Wulff (CDU) Experten-Prüfung zu. Ex-Verfassungsrichter hatte Entwurf für verfassungswidrig erklärt
Hannover taz ■ Bei der Debatte über das Kopftuch-Verbot im niedersächsischen Landtag hat es am Mittwoch Abend eine Überraschung gegeben: Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mischte sich jetzt in den Parteien-Streit ein und signalisierte Kompromissbereitschaft. Bisher sieht der Gesetzentwurf vor, dass religiöse Symbole verboten sind – mit Ausnahme solcher „christlich-abendländischer“ Tradition.
Er strebe eine möglichst breite Zustimmung zu der Änderung des Schulgesetzes an, meinte Wulff. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP müsse in einem geordneten Verfahren beraten werden, so der Regierungschef. „Ich bin der Hoffnung, dass wir eine Anhörung machen.“ In diesem Verfahren sollten dann auch Verfassungsexperten gehört werden.
Das hatten weder die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP noch FDP-Bildungsminister Bernd Busemann bis dahin auf dem Zettel. Da das Bundesverwaltungsgericht im Juni die Klage einer aus dem Schuldienst verbannten muslimischen Lehrerin verhandelt, soll die Gesetzesänderung bis dahin in Kraft sein. Man könne gern auch Verfassungsexperten noch anhören, hieß es daher am gestrigen Vormittag nach der Äußerung des Ministerpräsidenten, der ursprüngliche Zeitplan werde aber eingehalten.
Offensichtlich war Wulff Anfang der Woche unsicher geworden, als der ehemaligen niedersächsischen Kultusminister und Verfassungsrichter a. D., Ernst Gottfried Mahrenholz erklärte, der niedersächsische Gesetzentwurf sei „klar verfassungswidrig, weil nur die islamische Seite betroffen ist“. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass Angehörige unterschiedlicher Religionen gleich behandelt werden müssten. Karlsruhe hatte in seiner Entscheidung ausdrücklich erklärt, ein Kopftuchverbot könne „in verfassungsmäßiger Weise nur begründet und durchgesetzt werden, wenn Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften dabei gleich behandelt werden“.
Das niedersächsische Kulturministerium erklärte auf Nachfrage, juristische Expertisen seien nicht bestellt worden, man habe sich da auf die Landesregierung in Baden-Württemberg verlassen. Die hat einen Gesetzentwurf mit ähnlicher Formulierung ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht, allerdings auch eine fachkundige verfassungsrechtliche Anhörung vorgesehen.
Berater der Stuttgarter Landesregierung ist der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhoff. Mit einer schriftlichen Stellungnahme Kirchhoffs, in der die Baden-Württembergische Gesetzesformulierung als verfassungskonform erklärt wird, kann das Kultusministerium in Stuttgart aber auch nicht dienen. In Niedersachsen beruft man sich darauf, dass das Verfassungsgericht auch auf die „religiöse Verwurzelung“ der Tradition eines Bundeslandes verwiesen habe.
Busemann hatte seinen Gesetzentwurf in der Landtagsdebatte mit den Worten gerechtfertigt: „Unsere Tradition ist vom Christen- und vom Judentum geprägt. Deshalb ist es konsequent, dass das Tragen jüdischer und christlicher Symbole für Lehrkräfte im Dienst möglich bleibt.“
Klaus Wolschner