geläufig So viel Ungeklärtes

„Es gibt so viel Ungeklärtes in unserer Familie, das mir plötzlich keine Ruhe mehr lässt. Als hätte eine Art Wettlauf mit der Zeit begonnen … vielleicht ist es ein unbewusster Drang, zu wissen, in was für einen Zusammenhang, in was für ein Nest ich da mein Kind setze …“ Mit diesem Drang sieht sich die junge Meteorologin Freia in Tanja Dückers’ (Foto) neuem Roman „Himmelskörper“ konfrontiert. Als sie selbst ein Kind erwartet, erwacht ihr Bewusstsein dafür, dass sie in ein Netz von Ereignissen und Geschichten verstrickt ist, die zum Teil bis vor ihre Geburt zurückreichen. Mit der Erforschung der eigenen familiären Hintergründe begibt sich Freia auf ein Feld, auf dem zwar mit wissenschaftlichen Methoden das Wesentliche nicht zu gewinnen ist, das aber zumindest eine assoziative Verwandtschaft zu ihrem beruflichen Forschungsgebiet aufweist: die Unbeherrschbarkeit des Wetters, das atemberaubende und manchmal zerstörerische Aufeinandertreffen von Elementen und Temperaturen. Indem Dückers ihre Figuren mit jener hartnäckigen Individualität ausstattet, die ihren Geschichten Glaubwürdigkeit verleiht, erzählt sie von drei Frauen aus drei Generationen und ihrem Beziehungsgeflecht. Fluchtpunkt ist ein Ereignis aus dem Jahr 1945, als Freias Großmutter mit ihrer Tochter auf einem der letzten Schiffe aus Westpreußen über die Ostsee zu fliehen versucht. Für ihre Lesung jedenfalls hat sich Tanja Dückers ein sehr behagliches Nest ausgesucht: Von den tiefen Sesseln des Reingolds aus lässt sich den stürmischen Ereignissen sicher angenehm folgen. JUB

Reingold, 20 Uhr