: „Nicht nur Bomben töten“
Ehemaliger UN-Koordinator von Sponeck warnt gemeinsam mit Greenpeace in Hamburg vor den Folgen eines Irak-Krieges für Mensch und Umwelt
„Wenn der Frühling kommt, sterben die Kinder im Irak. Dann ziehen sie los, um Pilze zu suchen. Auch an der Grenze zu Kuwait, wo immer noch die Minen schlummern. Und viele von ihnen kehren nicht zurück.“ Hans-Christian Graf von Sponeck weiß, wovon er spricht. Von 1998 bis 1990 war er UN-Koordinator für humanitäre Hilfen im Irak. Nach zwei Jahren gab er das Amt auf, aus Protest gegen die „schlimmsten Wirtschaftssanktionen, die je ein Volk erlebt hat“.
Gestern warnte der ehemalige UN-Mitarbeiter in der Hamburger Greenpeace-Zentrale vor den Folgen eines erneuten Waffengangs für die Bevölkerung und die Umwelt des Irak. „Es drohen riesige Umweltprobleme, die ein Todesurteil für viele der 23 Millionen Iraker wären“, so von Sponeck: „Nicht nur die Bomben töten.“ Über eine Million Tonnen Öl, fünfmal mehr als bei den fünf größten Tankerunglücken, flossen 1991 ins Meer. Viele Küstenstriche sind noch immer biologisch tot. Ackerflächen, auf denen längst wieder geerntet wird, sind noch immer vergiftet vom Ruß siebenhundert brennender Ölquellen.
Niemand weiß, welche Folgen die uranhaltige Munition hat, die über dem Land abgeworfen wurde. Bekannt ist nur, dass in weiten Teilen des Landes die Krebsrate dramatisch angestiegen ist. Mehr als verdoppelt hat sich die Kindersterblichkeit in den vergangenen zehn Jahren. Das Gesundheitssystem ist zerstört. Folge des Krieges, aber auch der Sanktionen gegen den Irak.
„Das Ökosystem hat sich vom letzten Irak-Krieg noch nicht erholt“, weiß Greenpeace-Sprecher Wolfgang Lohbeck. Zerstörte Chemiedepots und Pipelines sind noch heute gefährliche Giftschleudern. Sie konnten aufgrund des Embargos nur notdürftig geflickt, nicht aber ersetzt werden. Täglich fließen 500.000 Tonnen ölhaltige Abwässer in Tigris und Eufrat – für von Sponeck bahnt sich hier eine „schleichende Katastrophe“ an. Die Nahrungsmittel seien äußerst knapp und die Abwassersituation katastrophal. „Im Falle eines Krieges wären Epidemien und eine Hungersnot nicht zu verhindern“, befürchtet der ehemalige UN-Experte. Krieg bedeute den Zusammenbruch für das ganze fragile Versorgungs- und Ökosystem der Region.
Dass auch die in Hamburg beheimatete Zentrale von Greenpeace-Deutschland sich in die Kriegsdiskussion einmischt, obwohl sie hier „keine Kernkompetenz“ besitzt, ist für Wolfgang Lohbeck eine „Rückkehr zu unseren Ursprüngen“. Denn: „Umweltpolitik und Frieden waren für uns untrennbar miteinander verbunden.“ Schwarz für die Greenpeace-Ziele sieht Lohbeck auch in der drohenden neuen Weltordnung: „Umweltschutz findet keine Beachtung, wenn nur noch ungezügelte Macht- und Wirtschaftsinteressen die internationale Agenda beherrschen“ MARCO CARINI