: Schülerläden fallen durch
Weil Anmeldungen für ihre Kinder fehlen, fordert die Jugendverwaltung von Kitas und Schülerläden zehntausende Euro zurück. Zwei stehen jetzt vor der Pleite. Viele weitere werden folgen, so Experten
VON ANNA LEHMANN
Kitas und Schülerläden in freier Trägerschaft müssen um ihre Zukunft bangen: Bereits drei Einrichtungen bekamen in den vergangenen Tagen Bescheide des Senats zugesandt, worin sie aufgefordert wurden, fünfstellige Beträge wegen falscher Abrechnungen zurückzuzahlen. Zwei davon, der Kinderladen „Karlotta“ in Charlottenburg und die „Neue Kindergruppe Kreuzberg“, stehen somit vor der Schließung.
Die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport prüft gegenwärtig in jedem zehnten Kinder- und Schülerladen in freier Trägerschaft die Abrechnungen für 2001. Obwohl erst für eine Hand voll der 130 ausgewählten Häuser Ergebnisse vorlägen, müssten schon 3 davon Geld zurückzahlen, sagt Rosemarie Broderius von der Senatsverwaltung, die für das Prüfungsverfahren zuständig ist. Der Senat zahlt nur für Kinder, die amtlich angemeldet sind. Fehlt einem Kind der Meldeschein, will er Geld zurück – auch wenn das Kind de facto betreut wurde.
„Wir erwarten, dass noch mehr Läden Probleme bekommen werden“, prognostiziert Roland Kern vom Dachverband Freier Kinder- und Schülerläden. Besonders Kitas in so genannten Brennpunktgebieten drückten bei der Aufnahme von Kindern oft ein Auge zu, wenn deren Eltern nicht alle notwendigen Unterlagen hätten. In Berlin haben alle Kinder im dritten Lebensjahr Anspruch auf einen Kitaplatz – aber eben nur mit amtlich geprüfter Unterschrift. Viele freie Träger würden ehrenamtlich geführt, sagt Kern weiter. Daher sei es sehr wahrscheinlich, dass geltende Bestimmungen übersehen worden sind. „Für die Verwaltung der Bescheide muss man Fachmann sein. Wäre unser Laden geprüft worden, müssten wir höchstwahrscheinlich um die 25.000 Euro nachzahlen“, berichtet ein Vater einer Pankower Elterninitiative.
Die Überprüfung ihrer Abrechnungen kommt für die Vereine und Initiativen nicht überraschend. Sie ist Teil der seit fünf Jahren geltenden Rahmenvereinbarung, wonach die Träger zu Jahresbeginn pro Kind einen bestimmten Satz ausgezahlt bekommen. Im Gegenzug müssen sie nachweisen, dass sich die Kinder rechtmäßig in ihrer Einrichtung aufgehalten haben.
Doch waren viele Kinder nachträglich betrachtet offenbar illegal dort. Der „Neuen Kindergruppe Kreuzberg“ fehlen zum Beispiel etliche Betreuungsbescheide, die alle Eltern beim Jugendamt ausfüllen müssen, wenn sie ihr Kind in einer Kita – egal ob kommunal oder frei – unterbringen wollen. „95 Prozent unserer Kinder sind nichtdeutscher Herkunft, die Hälfte der Eltern sind Analphabeten“, klagt Claudia Straube, die bei der „Neuen Kindergruppe“ am Kottbusser Tor arbeitet. Viele Eltern scheuten den Gang zum Amt. Dieses fordert jetzt die im Voraus bezahlten Pauschalsätze für die Kinder von den Trägern zurück. Die Kindergruppe, die im Monat 23.000 Euro vom Senat bekommt, steht bei diesem nun mit 105.000 Euro in der Kreide.
Im Kinderladen „Karlotta“ regierte die Unkenntnis. „Unser damaliger Vorstand hat nicht gewusst, dass die Kinder, die von der Kita in den Hort wechseln, neue Bescheide brauchen“, berichtet Stefanie Anka von der Elterninitiative. Der jetzige Vorstand muss für dieses Versäumnis 70.000 Euro zurückzahlen. „Wir haben angefragt, ob man die Bescheide nachreichen könne, aber das sei nicht mehr möglich“, beschwert sie sich über die Haltung der Jugendverwaltung.
Vertrag sei Vertrag, erklärt dagegen Pressesprecherin Rita Hermanns. Als Behörde sei man verpflichtet, Rechtsvorschriften umzusetzen. Doch habe man kein Interesse daran, dass die Träger daran zerbrächen. „Wir prüfen, wie wir die Sache gütlich regeln können, aber gezahlt werden muss auf jeden Fall.“
Von Seiten der Senatsverwaltung wurde „Karlotta“ eine Zahlung auf Raten vorgeschlagen. „Doch selbst dann müssten wir Konkurs anmelden“, sagt Stefanie Anka. Nur ein teilweiser Erlass der Schulden könne Kinder- und Schülerladen retten.
Claudia Straube von der „Neuen Kindergruppe“ wurde indessen von der Senatsverwaltung signalisiert, dass die Bezirksämtern eventuell doch nachträglich Bescheide ausstellten.