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Archiv-Artikel

Kettenraucher mit Sinn für Humor

Der österreichische Grüne Alexander Van der Bellen steht vor der Wiederwahl zum Bundessprecher der Partei

Manchmal scheint er das Zerrbild des zerstreuten Professors um jeden Preis erfüllen zu wollen. Da verlor er beim Hantieren mit dem Rasenmäher fast die Fingerkuppe. Dann holte er sich schwere Verbrennungen an der Hand, als er überprüften wollte, ob die Herdplatte für ein Spiegelei schon heiß genug sei. Und der Verband am Finger ging dann wenig später in Flammen auf –beim Anzünden einer Zigarette.

Das Nikotin ist das sichtbarste Laster des österreichischen Grünen-Chefs. Jede Initiative zur Einschüchterung von Rauchern hält er für Schwachsinn: „Wie ungesund das ist, weiß ich. Aber das ist meine Privatsache.“ Nur nach einer schweren Darmoperation letzten Sommer konnte er sich vom Glimmstängel trennen, wurde aber nach wenigen Wochen schon rückfällig.

Alexander Van der Bellen wurde vor wenigen Tagen 60. Ein Alter, in dem so mancher darüber nachdenkt, welche Ziele er noch erreichen will. Der Grünen-Chef, der heute zum dritten Mal als Bundessprecher wiedergewählt wird, möchte seine Partei noch in die Regierung führen. Dass er dabei als Vizekanzler oder überhaupt als Minister fungieren würde, sei nicht ausgemacht, vertraute er der taz an. Wichtig ist ihm, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung abgelöst wird. Ob die Grünen als Juniorpartner der Sozialdemokraten oder der Christdemokraten höhere Weihen erlangen, ist für den Wirtschaftsprofessor zweitrangig.

Das Wort von der Äquidistanz zu den Großparteien hat er aber doch relativiert. Schließlich war er selbst einmal bei der SPÖ und findet, die ÖVP habe sich in ihren Positionen den Freiheitlichen gefährlich angenähert.

Ob die Öko-Partei ohne ihn genauso von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilen würde, ist nicht ausgemacht. Er hat ihr das Image des radikalen und zersplitterten Haufens genommen und betrachtet sich selbst als durch und durch bürgerlichen Menschen.

Mit manch klassischem grünem Dogma steht er auf Kriegsfuß. So sind dem Finanzwissenschaftler auch Visionen zu alternativen Wirtschaftskonzepten nicht zu entlocken. Nicht einmal den Neoliberalismus sieht er nur kritisch: „Solange nicht jeder Liberalisierungsschritt als neoliberal etikettiert wird, kann ich schon was damit anfangen.“

In der jüngsten Umfrage des Magazins Profil rangiert er in der Beliebtheitsskala der Politiker an dritter Stelle. Bei der Kanzlerfrage liegt er nur knapp hinter Wolfgang Schüssel, aber vor SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer.

Das hat auch damit zu tun, dass ihm jeder Populismus fremd ist. Wenn andere Politiker vorgefertigte Antworten herunterspulen, nimmt er sich Zeit zum Nachdenken, gibt auch Fehler zu und lacht gewinnend, wenn er sich ertappt fühlt. Bei der jüngsten Debatte um die Steuerreform kritisierte er die Steuergeschenke der Regierung als viel zu hoch. Er hätte nur halb so viel gegeben und diese Mittel anders verteilt. Denn er ist sicher, dass sich die nächste Regierung dieses Geld zurückholen muss. Und in der würde er gern vertreten sein. RALF LEONHARD