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Archiv-Artikel

Clint Eastwood trifft Heinrich

In dieser Woche findet das 22. International Filmfest Braunschweig statt

Ein Profil soll ein Filmfest haben, aber zu speziell darf es auch nicht sein, denn mit dem akkreditierten Fachpublikum kann man die Kinosäle nicht füllen. Diesen Balanceakt bewältigt das Filmfest in Braunschweig seit seiner schweren Identitätskrise Ende der 90er Jahre so souverän, dass die richtungslosen Kollegen aus Hamburg eigentlich bei ihnen hospitieren müssten. Nun ja, der europäische Schauspielpreis „Die Europa“ ist vielleicht keine allzu spezielle Einrichtung – solch einen Ehrung macht jedes zweite Festival. Und der diesjährig prämierte Bruno Ganz hat sicher schon einen ganzen Haufen ähnlicher Statuen im Schrank. Da will man sich halt mit einem Prominenten schmücken – geschenkt.

Viel wichtiger und durchdachter ist dagegen die Programmschiene Musik und Film, zu der in jedem Jahr ein Ehrengast eingeladen wird, und der kann im Gegensatz zu den sonst üblichen Regisseuren und Schauspielern noch etwas anderes machen, als mehr oder weniger intelligent über Filme reden. So wird der britische Komponist Sir Michael Nyman Freitagabend ein Solokonzert am Flügel geben, bei dem er seine „Greatest Hits“ aus Filmen wie „The Piano“ und „Gattaca“ interpretiert. All die schönen frühen Greenaway-Filme, die erst durch Nymans Soundtracks zu zugleich intelligenten und sinnlichen Gesamtkunstwerken wurden, werden natürlich auch gezeigt.

Originell ist auch die Idee, einmal den Zusammenhang zwischen Computerspielen und Spielfilmen zu untersuchen. Cineasten rümpfen bei derlei Mischformen ja meist die Nase, und deshalb findet man sie eher in den Elektronikmärkten als auf Filmfestivals, aber in Braunschweig wird das Niveau ganz simpel dadurch auf Symposiumshöhe gehievt, dass Medienwissenschaftler, Spieleentwickler und Künstler zu den Filmen und Spielen Vorträge halten. Darunter auch ein Komponist von Spiele-Musiken, denn diese müssen ja ganz eigenen Kriterien genügen, weil die Spieler sie extrem oft hören müssen, ohne dass dies zur akustischen Folter wird. Auf dem Wettbewerb des Festivals wird ein europäischer Debüt- oder Zweitfilm mit dem „Heinrich“ und 10.000 Euro prämiert, und so finden sich in Braunschweig viele noch hungrige junge Filmemacher.

Den Zucker für das einheimische Publikum liefern die Reihen „Neue Deutsche Filme“ und vor allem „Neues internationales Kino“. Hier wird wie üblich vieles von den A-Festivals nachgespielt, darunter immerhin der neue Clint Eastwood „Der Fremde Sohn“ als Deutschlandpremiere. Die Hauptdarstellerin Angelina Jolie wohnt ja seit kurzem sogar in der Nachbarschaft und könnte aus Berlin mal kurz vorbeikommen, aber das wäre dann doch zuviel des Guten. Bei vielen Filmen sind Festivals inzwischen die einzige Gelegenheit, sie auf großer Leinwand zu sehen, weil die Studios sie direkt als DVDs veröffentlichen. Diese Gelegenheit hat man in Braunschweig bei dem britischen Krimi „The Oxford Murders“ – immerhin mit Elija Wood und John Hurt – oder bei der amerikanischen Satire „Where in the World is Osama Bin Laden?“

Einer der wichtigsten Filme der Saison ist der Gewinner von Cannes „Die Klasse“ von Laurent Cantet, in dem nichts weiter gezeigt wird, als ein Jahr in einer französischen Schulklasse.

Der Kurzfilmpreis „Leo“, Workshops, eine Filmfest-Party und Late Night Talks mit den angereisten Gästen runden das Programm ab. Die Braunschweiger basteln sich, ohne viel Aufhebens davon zu machen, seit einigen Jahren ein schönes, solides Festival zusammen. Auch das ist ein Profil! WILFRIED HIPPEN