„Für alle alles frei, das ist passé“


INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER,
MAX HAEGLER, JÖRG SCHALLENBERG

taz: Herr Goppel, Ihre liebe Ministerkollegin Monika Hohlmeier hat Ihnen zum Dienstantritt das schöne, große Amtszimmer Ihres Vorgängers Hans Zehetmair abgeluchst. Was haben Sie eigentlich empfunden, als Sie das gemerkt haben?

Thomas Goppel: Ich bin doch nicht wegen eines Dienstzimmers Wissenschaftsminister geworden. Geistige Entwicklung richtet sich nicht nach den Quadratmetern, auf denen sie stattfindet.

Trotzdem: War es eine Demütigung für Sie? Oder nur ein Spaß unter guten Parteifreunden?

Die Frage richtet sich ausdrücklich an den Inszenator dieser Geschichte. Mir ist dieses Zimmer hier groß genug. Nur an der Einrichtung möchte ich gerne noch etwas feilen.

Irgendwie passt die Episode zu Ihrem misslungenen Start als bayerischer Wissenschaftsminister. Statt wie Ihr Vorgänger Innovationsoffensiven zu starten, müssen Sie nun den Etat Ihrer Hochschulen um 5 Prozent absenken.

Ich war natürlich nicht begeistert. Aber auch nicht überrascht. Als Generalsekretär der CSU hatte ich vorher schon einen gewissen Einblick in die Finanzlage. Die Größenordnung des Sparbedarfs war allerdings noch nicht klar – uns allen nicht. Wir konnten nicht ahnen, dass Herr Eichel drei Tage nach der Landtagswahl zugibt, dass er brutto und netto verwechselt hat.

Bayern steht finanziell glänzend da. Trotzdem verkündet Ihr Ministerpräsident einen ehrgeizigen Sparkurs. Gleichzeitig wollen Sie ein Qualitätsnetzwerk mit Elite-Inseln aufbauen. Wie kann das zusammengehen?

Wenn Bild diese Frage stellen würde – in Ordnung. Aber Sie von der taz geben sich doch stets unkonventionell. Da müssten Sie doch verstehen, wie unkonventionell wir sind: Man zwingt sich zur Neuerung, indem man das Alte und Liebgewonnene auf den Prüfstand stellt.

Wie sieht Ihre Vision aus, wenn die Prüfung geschafft ist?

Die entwickeln zunächst die Universitäten selbst, dafür haben wir ihnen viel Freiheit gegeben. Die Unis entwerfen, wie sie künftig gestalten wollen. Sie müssen im gleichen Atemzug sagen, worauf sie verzichten können.

Gibt es da Beispiele?

Die Chemie in München wird zweimal an zwei Universitäten nebeneinander studiert. Mit der Physik ist es genauso.

Ist das wirklich so simpel? In München gibt’s die Chemie doppelt – also muss eine weg!

Ich habe nicht gesagt, dass eine reicht! Aber es muss erlaubt sein bei zwei Unis, die so nah aufeinander sitzen, zu prüfen, wo eine Dopplung verzichtbar ist. Alles, was Gewohnheit geworden ist, muss überprüft werden, wenn man weniger Geld hat.

Uns war, ehrlich gesagt, diese neue bayerische Ärmlichkeit noch gar nicht aufgefallen.

Das hat mit Ärmlichkeit nichts zu tun, sondern mit Vorsorge. Weil wir plötzlich einen Betrag von 2,5 Milliarden Euro in unserem Haushalt einsparen müssen. Weil uns die miese Politik aus Berlin ständig neue Steuereinbrüche beschert. Unsere Aufgabe ist es, die nächste Generation vor der Insolvenz zu bewahren.

Sie dramatisieren.

Nein. Ich halte das für meine wichtigste Pflicht. Ich will keine zweite Blüm’sche Ära mit der Lebenslüge „Eins gilt: Die Rente ist sicher“. Damals war allen klar, dass das nicht stimmen kann. Aus der aktuellen Notlage darf nicht wieder eine Flunkerei werden oder ein Wolkenkuckucksheim.

Lassen Sie uns noch mal zur Elite zurückkommen. Was haben Sie eigentlich gegen die von der SPD vorgeschlagenen Spitzenhochschulen? Sie haben in München doch gleich zwei heiße Kandidaten für ein deutsches Harvard.

Elite ordnet man nicht an, sie wächst. Ich bin der Meinung, dass alle Unis imstande sein müssen, aus eigener Kraft an die Spitze zu kommen. Die aktuellen Hochschul-Rankings zeigen, dass dieses Konzept für die bayerischen Unis aufgeht. Das alles fällt aber weg, wenn der Kanzler dekretiert: 110 Millionen für eine Elite-Universität – und Schluss mit Wettbewerb.

Das sagt er doch gar nicht.

Der Kanzler denkt und Clement sagt: Die Humboldt-Universität Berlin ist mein Ziel. Dass er dafür einen ganz anderen, unelitären Beweggrund hat, spielt keine Rolle. Er will eine im Bankrott befindliche Hochschule retten. Er nimmt sie raus aus den ganzen Insolvenzen, die da in Berlin umeinander stehen. Dabei ist die Humboldt-Universität für sich keine „Elite-Universität“. Auch die Freie Universität steht sehr gut da.

Bildungsministerin Edelgard Bulmahn spricht von mehreren Elite-Universitäten. Heute will sie zusammen mit Kanzler Schröder ihre Vision präzisieren.

Aber sie erklärt uns ja nicht, ob die Elite von oben ausgewählt wird oder nicht. Die Herrschaften von der SPD haben dreißig Jahre lang Elite als etwas Teuflisches dargestellt. Nun geben sie von einer Nacht auf die andere ihren Irrtum zu. Ein relativ langer Erkenntnisprozess – aber gut, ich finde das schön. Es freut mich, nachdem wir Bayern für unsere Haltung zur Elite so lange beschimpft worden sind.

Herr Goppel, warum diese Mäkelei? Es könnte so einfach sein. Sie sind ein charmanter Mann, warum gehen Sie nicht zu Frau Bulmahn und sagen: Schönes Kostüm haben Sie da an, lassen sie uns darüber reden, welche bayerischen Hochschulen wir fördern könnten …

… meistens trägt sie Hosenanzüge, habe ich mir sagen lassen.

Sie sollten charmant sein!

Wenn ich mit Frau Bulmahn reden würde, dann über ihren Plan, dass die Max-Planck-Institute und die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Zukunft Einrichtungen sein sollen, bei denen der Bund ganz allein entscheidet – obwohl unsere Verfassung ausdrücklich eine föderative Ordnung vorschreibt. Das ist Zentralismus.

Was ist so schlimm daran, wenn der Zentralismus das Richtige will?

Wenn der Kanzler gesagt hätte: „Wir müssen Eliten fördern!“, ich hätte sofort unterschrieben. Wenn er gesagt hätte: „Die wenigsten Hochschulen kommen international mit, diesen Rückstand müssen wir aufholen – gemeinsam mit den Ländern.“ Wunderbar!

Na prima, lauter Gemeinsamkeiten!

Leider agiert der Kanzler nach der Maxime: „Alle anderen sind doof.“ Er weiß vorher schon, wie die Vorzeige-Universität heißt. Um seine Eliteträume finanzieren zu können, zieht er die Bundesregierung über Nacht mit 340 Millionen Euro aus der Finanzierung des Hochschulbaus zurück. Das ist typisch Schröder: 230 Millionen kassiert er – und 110 Millionen schenkt er der Humboldt-Uni. Tut mir Leid, aber das unterschreibe ich natürlich nicht.

Die Finanzierung der Unis ist auch wegen der Studiengebühren umstritten. Ihr Vorgänger war ein entschiedener Gegner, Sie wollen unbedingt Gebühren einführen. Warum?

Wir haben jahrelang für unsere Haushalte Zuwächse erwartet. Heute ist das anders. Der Student kann seine Studienbedingungen am ehesten mit Studiengebühren verbessern.

Studiengebühren halten aber Begabte aus schlechteren sozialen Verhältnissen vom Studium ab. Am Ende studieren weniger – dabei sollten es deutlich mehr sein.

Sie müssen Studiengebühren sozial abfedern. Das ist entscheidend. Die Gebühren könnten erst nach dem Studium fällig werden, nach Beginn der Erwerbstätigkeit. Und sie müssen die Gebühren für tüchtige Leute schrittweise erlassen – bis zum Nullpunkt. Das würde von den Noten abhängen. Oder von einem Job als Tutor an der Universität.

Warum hat Ihr Vorgänger das so anders gesehen?

Kurz gesagt: Es gibt viele Dinge, die noch nicht erörtert worden sind, auch weil gesagt wurde: „Wir brauchen keine Studiengebühren.“ Die alte sozialdemokratische Argumentation aber, alle müssten alles frei haben, wenn es die Gemeinschaft haben kann, die ist passé.

Eine Bemerkung zu Markus Söder, Ihrem wenig elitären Nachfolger in der CSU. Brauchen Sie einen Generalsekretär, der sich sogar über die Abschaffung des Sandmännchens echauffiert?

Wenn Sie Politiker an einzelnen isolierten Sätzen messen, dann können Sie fast jeden von uns für unnötig erklären. Ich bin mir sicher, dass er meine Arbeit – auf seine Weise – gut weiterführt. Außerdem: Auch ich habe nach einem halben Jahr als Parteigeneral böse Kommentare gekriegt – die mich geärgert haben. Dafür habe ich andere geärgert.

Klaus Wowereit etwa, dem Sie vorhielten, er wolle mit seinem Freund allabendlich der Biologie ein Schnippchen schlagen?

Sie dürfen mich gern daran erinnern. Ich habe gar nichts dagegen, dass Herr Wowereit seine Lebensweise benennt, damit ihn niemand outet. Aber ich hab was dagegen, dass er das für gut erklärt. Mich stört nicht der erste Satz, dass er schwul ist …

sondern der Nachsatz: „Und das ist auch gut so.“

Ja, das war nicht in Ordnung.

Warum?

Weil das nicht zulässig ist. Jemand, der Politik repräsentiert, kann doch nicht allen anderen erklären, dass das, was er tut, richtig oder gar vorbildlich für alle sein soll. Ich würde mir nicht erlauben, meine privaten Verhaltensweisen öffentlich zur Norm zu erklären.

Wowereit hat doch nicht gesagt, dass seine Lebensweise die bessere ist.

Er hat gesagt: „Und das ist gut so.“ Sie wissen, dass auch „gut“ die Steigerungsform von „besser“ sein kann.