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Archiv-Artikel

Oben ganz dicht

Hohe Energiekosten fordern ein Umdenken. Helmut Gumtau informiert in der Hamburger Verbraucherzentrale über sinnvolle Wärmedämmung

VON KENDRA ECKHORST

Der Zeigefinger streicht über das Papier, fährt die schwarzen Linien des Hauses entlang. Schraffuren und Winkel werden auf dem Bauplan abgeklopft und bekommen neue Namen. „Systemgrenze“, „Konvektionssperre“ und „Klimapuffer“. Auf einem neuen Blatt reihen sich Wellenlinien an Punkte und Striche.

In einer Ecke im Eingangsbereich der Hamburger Verbraucherzentrale spricht Helmut Gumtau mit den Fingern. Er berät HausbesitzerInnen und MieterInnen über Möglichkeiten des Energiesparens. Sein Handy brummt, aber „der muss warten“, sagt er und winkt ab. Seine vier KollegInnen und er sind gefragt, denn die Energiepreise steigen und bewegen viele Hausbesitzer zum Umdenken. Auch der 2008 eingeführte Energiepass fordert künftig von HauseigentümerInnen, die vermieten oder verkaufen wollen, energiesparende Umbauten. Wie kann Wärme besser gedämmt und ein Haus abgedichtet werden, sind die Fragen, die der Architekt in dem „stationären Beratungsprojekt“ beantwortet. Gefördert vom Bundesamt für Ausfuhrkontrolle informieren die Fünf nicht nur am Schreibtisch, sondern bieten in Problemfällen auch Hausbegehungen an.

Der taz-Redakteur Marco Carini nimmt einen Hausbesuch in Anspruch. Er wohnt in einem 1923 erbauten Klinkerbau, der sich über zwei Etagen und eine Dachwohnung erstreckt.Vor einem Jahr wurde der Keller des Mehrfamilienhauses gegen Feuchtigkeit isoliert und vor sechs Jahren eine Ölheizung mit eigenem Tank eingebaut. Nun bereitet Carini das ausgebaute Geschoss unter einem nicht isolierten Dach Probleme. Gumtau erläutert mehrere Möglichkeiten, das Haus so zu dämmen, dass die Wärme nur das Haus und nicht die Atmosphäre heizt. Eine Abdichtung als geschlossenes System, damit die Energie nicht verpufft. Eine Systemgrenze „kann oberhalb der Dachwohnung gezogen werden, eine andere den gesamten Dachboden einschließen“. Auch ob Carini das Dämmmaterial besser von innen oder außen anbringen soll, wird diskutiert. Von drinnen zu arbeiten „ist eine Krücke, aber besser als gar nichts“ und kostengünstiger, sagt der Fachmann.

Hinter dem Bad der Dachwohnung führt eine Tür in den Dachboden. Dort pfeift der Wind zwischen den bloßen Ziegeln hindurch. „Diese Abseite arbeitet als Klimapuffer, die auch bei Frost nie unter fünf Grad Celsius fällt. Trotzdem entschwindet zu viel Wärme“, entscheidet Gumtau. Er klopft gegen türkisfarbene Styroporplatten, die an die Wand gepappt sind. „Da haben Sie ja was Halbseidenes gemacht“, kommentiert der Berater die verschwendete Energie. Bei der Glaswolle verfällt er in einen ernsteren Ton, da eine abgewehte Faser sich in der Lunge festsetzen und einen Tumor hervorrufen könne.

Egal wo Carini abdichtet, also für welche Systemgrenze er sich entscheidet – er braucht eine Konvektionssperre: Eine Platte, die die Dämmstoffe dicht verschließt, um einen Austausch von warm-feuchter und kalter Luft zu verhindern. Die Luft kann dann nicht kondensieren und sich als Schimmel in den Materialien einnisten. Diese Sperre dürfe auch nicht durchstochen werden, etwa um Halogenstrahler oder Sternenhimmel einzuschrauben, erklärt Gumtau, denn dann würde die geschlossene Dämmung hinfällig.

Den Wärmeverlust möglichst gering zu halten, ist ein altes Thema. Schon 1977 wurde eine erste Wärmeschutzverordnung verabschiedet, die an einzelnen Hauselementen, wie zum Beispiel den Fenstern, eine Abdichtung forderte. Über die Jahre wandelte sich der Wärmeschutz zum Energie-Einsparen und zum heutigen Klimaschutz, also von den Einzelteilen zum ganzen Gebäude samt inneren Anlagen. Als vorläufiges Ergebnis dieses Wandels kann das hamburgische Klimaschutzkonzept angesehen werden: Neben energiesparenden Vorgaben für die Altbausanierung und den Neubau setzt es auf Passivhäuser. Kohlendioxid-Emissionen und Energieverbrauch können in dieser geschlossenen Bauweise am besten gesenkt werden. Um Anreize zu schaffen, stehen für Neu- und Umbauten Fördermittel bereit. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau und auch die hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt bieten Zuschüsse an.

Die finanzielle Unterstützung macht sich auch in der Nachfrage nach Energieberatung bemerkbar: Seit 22 Jahren arbeitet Gumtau in der Verbraucherzentrale und hat sich früher „ein Bein ausgerissen“, um mit mäßigem Erfolg energetisch vielversprechende Einbauten zu kalkulieren. Auch heute „steckt die Technik noch in den Kinderschuhen“, aber der Trend gehe eindeutig zu ökologischen und energiesparsamen Lösungen.