JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA : Tattergreis verteilt Pokläpse
Exklusive Hobbys sind selten, dafür umso dekadenter. Wie wäre es mit Filmegucken in Hugh Hefners Schlafzimmer?
Nach einem virtuellen Besuch im Playboy Mansion musste ich neulich feststellen, dass Hugh Hefner und ich die gleichen Hobbys zu haben scheinen: Filme gucken, Kuchen essen, im Schlafanzug herumschleichen, Sport und Blondinen. Er geht mit seinen Leidenschaften natürlich anders um, er kann beim villaeigenen Bäcker zum Beispiel einfach seinen Lieblingskuchen bestellen, während ich immer erst raus und welchen kaufen muss. Auch unsere Sportarten unterscheiden sich: Hugh geht eine Runde schwimmen in etwas, das gute Beobachter schon als „Titsoup“ bezeichnet haben (weil so viele Blondinen mit eindrucksvollen Brüsten im Wasser planschten), ich verkleide mich als Homey und jogge eine Runde durch den staubigen Park inmitten des sozialen Brennpunkts, in dem ich wohne. Und ein eigenes Schlafzimmerkino habe ich auch nicht. Aber es geht ja nur ums Prinzip.
Erschreckend jedenfalls, dass mich mit diesem Mann überhaupt etwas verbindet. Andererseits kann man nichts dagegen tun, wenn ungeliebte Menschen das vereinnahmen, was man mag, weil man eben weit verbreitete Dinge mag. So wie die Beatles. Oder Verner Panton, dessen angebliche Fans alte, hässliche Plastik-Teewagen mit dem Zusatz „Panton Style“ bei eBay versteigern. Wenn man sich über so etwas aufregt, sollte man sofort mit einem Edding das Wort „Dandy“ auf die Stirn gemalt bekommen und zur Strafe eine Woche in der Ecke stehen. Denn wirklich exklusiver Geschmack ist nun mal extrem dekadent, genauso wie exklusive Hobbys.
Mit wenigen Ausnahmen: Das neue, meiner Ansicht nach hoch exklusive Hobby eines entfernt bekannten Fünfjährigen ist ein Spielzeug-Presslufthammer, den er zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Als der Vater des Jungen mich neulich anrief, konnte ich kaum etwas verstehen, denn im Hintergrund hämmerte das Kind leidenschaftlich den Boden auf. Ein Jahr Garantie, stöhnte der Vater. Ich hatte gar nicht gewusst, dass es so etwas wie Spielzeug-Bauarbeiter-Geräte überhaupt gibt! Wenn ich nicht immer so arm wäre, würde ich dieses exklusive Hobby sofort klauen und mir als Grundstock meiner noch zu gründenden Spielzeug-Bauarbeiter-Geräte-Sammlung eine kleine Betonmischmaschine ins Zimmer stellen. Das beruhigt bestimmt beim Hineingucken.
Ein Hobby, das in Deutschland recht exklusiv wirkt, in Großbritannien dagegen von den Spatzen auf den Dächern gepfiffen wird, ist Billard oder Snooker. Hier wird es in Kneipen nur noch selten gespielt, obwohl das ganze Drumherum (Queue-Putzen, um den Tisch herumscharwenzeln, Musik in der Jukebox drücken, Frauen beim Runterbeugen auf den Derriere glotzen) hervorragend zum 80er-Revival passen würde. Als ernst zu nehmende Sportart geht es sogar ganz unter, während Sportkanäle alle Nase lang englische Billard-Matches übertragen, bei denen gut aussehende Engländer oder Schotten oder Waliser konzentriert Kugeln versenken, beklatscht von ganzen Fanclubs.
Ich habe schon drüber nachgedacht, ob ich mir dieses Hobby zu Eigen machen sollte, um einem exklusiven Zeitvertreib zu frönen. Aber Hugh und ich finden es nun mal langweilig. Außerdem haben wir keinen Platz für einen Übungs-Billardtisch. Also ich habe keinen Platz, Hugh müsste nur eine seiner Blondinen rausschmeißen. Doch das will er nicht, wahrscheinlich hat er Angst, sie könne sich heimlich weiterbilden und ihn wegen seelischer und körperlicher Grausamkeit („den ganzen Tag schleicht der Tattergreis herum und verteilt Pokläpse!“) verklagen. In den USA kann man ja alles und jeden verklagen.
Aus den USA kommt auch ein Hobby, das hierzulande noch recht exklusiv wirkt, aber auf dem besten Wege ist, einen Siegeszug anzutreten: Botox-Partys, auf denen sich meist Frauen treffen, um sich von den Vorzügen einer Botox-Behandlung (Giftspritzen, die bestimmte Gesichtsmuskeln außer Kraft setzen und damit Falten strecken) zu überzeugen. Aber da sei Gott vor, dass ich mir eine Gesichtslähmung spritze. Da geh ich doch lieber in Hughs Schlafzimmer Filme gucken.
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