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Archiv-Artikel

Lachen versöhnt

Der deutscher Kabarettist Steffen Möller erobert das polnische Fernsehen. Jetzt hat er sogar den polnischen „Bambi“ gewonnen, die „Telekamera“

aus Warschau Gabriele Lesser

Steffen Möller ist ein Star in Polen. Ein Deutscher, der mit seinen Witzen, Anekdoten und Sketchen ganz Polen zum Lachen bringt. Jetzt hat 35-jährige Wuppertaler den polnischen Bambi bekommen. Millionen Fernsehzuschauer saßen vor den Bildschirmen und verfolgten die prächtige Gala mit Roger Moore alias James Bond als Ehrengast. Doch während Moore als typischer Ausländer gerade mal ein verunstaltetes „dziekuje“ (danke) über die Lippen brachte, gehört Möller – ähnlich wie auch der Engländer Kevin Aiston – längst zum Schauspieler-Establishment des Landes: Beide sprechen ein (fast) perfektes Polnisch. Zudem spielen Möller und Aiston nur Deutsche oder Engländer. Die meisten Lacher hat allerdings fast immer Möller auf seiner Seite.

Ein deutscher Jungbauer, der sich in der beliebten Seifenopfer „L wie Liebe“ bei den polnischen Nachbarn mit dem Satz vorstellt: „Ich bin der grässliche Deutsche von nebenan“, ist einfach lustiger als ein Engländer, der die englische Küche verteidigt oder verdammt. Dennoch: Auch Aiston ist ein Star in Polen. In der Spaß-Talkshow „Europa lässt sich lieben“ kabbeln sich der Engländer und der Deutsche regelmäßig. Dafür bekamen sie nun die „telekamera“, den Publikumspreis der mit sieben Millionen Lesern größten Fernsehzeitschrift Polens Tele Tydzien.

Als Möller 1995 zum ersten Mal nach Polen kam, wollte der Theologie- und Philosophiestudent eigentlich nur einen Schnupperkurs Polnisch machen. Die Sprache war allerdings dermaßen schwierig, dass er nach zwei Wochen frustriert nach Berlin zurückfuhr.

„Bin ich zu blöd für diese Sprache?“, fragte er sich. Doch er blieb beharrlich. Wenig später fuhr er wieder nach Krakau. Und mit dem Theologendiplom in der Tasche blieb er dann gleich für ein ganzes Jahr. Seine Freunde tippten sich an die Stirn: „Was willst du denn in Asien?“

Er schlug sich als Deutschlehrer durch, brachte es bis zum Linguistikdozenten an der Warschauer Universität. Polnisch lernt er heute noch, allerdings auf einem Niveau, das kaum je ein Ausländer erreicht. „ ‚Rzeczywiscie‘ (tatsächlich) war schon bald kein Problem mehr“, erzählt er. „Schätschewischtschje – das ist einfach. Aber letztens habe ich ‚dzdzownica‘ (Regenwurm) dazugelernt – dschdschowniza – das gibt es im Deutschen auch nicht so oft – dsch-dsch“, grinst er jungenhaft und zieht ein verknittertes Oktavheftchen aus der Jackentasche. „Ich bin ein Wörtersammler.“

In einem Interview wunderte sich eine Journalistin der Gazeta Wyborcza: „Man will es kaum glauben, dass ein Deutscher sich in die polnische Sprache verliebt hat. Haben Sie gehört, dass Polnisch eine der sieben schwersten Sprachen auf der Welt ist? Was war denn Ihr erstes polnisches Wort?“ Möller lacht noch heute, wenn er daran zurückdenkt: „ ‚Hamulec bezpieczenstwa‘ – Notbremse. Das war auf meiner ersten Zugfahrt nach Krakau. Ich brauchte Stunden dafür.“

Heute jongliert er wie ein Altmeister mit schwierigsten Zischlauten, verblüfft die Polen mit Sprachspielen und zieht deutsche wie polnische Stereotype durch den Kakao. Dabei sieht er auf den ersten Blick tatsächlich so harmlos wie ein studierter Theologe aus: mittelgroß, braune gescheitelte Haare, Cordhose, kariertes Hemd und ein leicht abgewetztes Jackett. Im Fernsehen kommt meist noch ein Strohhut oder eine Anglerkappe hinzu. So stellen sich die Polen den typisch doofen Deutschen vor.

Doch wenn Möller dann im renommierten Warschauer Jazzkeller Harenda auftritt, zahlen sie sogar dafür. Und amüsieren sich köstlich. „Ich tue mehr für die deutsch-polnische Versöhnung als viele Politiker“, sagt der Komiker selbstbewusst. „Mit Sonntagsreden zu Gedenktagen sind die Menschen in ihrem Alltag nicht zu erreichen. Mit Charme und Witz aber schon.“ Wenn er am Ende seines Auftritts auch noch in die Tasten haut, das Lied vom „eisgekühlten Bommerlunder“ anstimmt und den Polen das „Schunkeln“ beibringt, seufzt am Ende so manche Polin nur noch: „Der ist einfach süß.“