Seifenopern

Punkt 19 Uhr 30 versammelt sich die Kairoer Familie Gohari um den Fernsehapparat. Zwar verzögert sich der Beginn der Hauptserie wegen der Reklame zumeist um eine Viertelstunde, doch den Anfang einer Folge zu verpassen ist für Rana, Ahmed und ihre Eltern schlimmer, als das Gejaule der Werbespots über sich ergehen zu lassen. Endlich kommt der Vorspann mit den beteiligten Schauspielern, deren Namen jedes Kind in Ägypten kennt. Frau Gohari tischt das Abendessen auf, die Augen der Kinder saugen sich an der Mattscheibe fest. Mona Zaki (die Lieblingsschaupielerin der jüngeren Generation) hat einen Pin im Bauchnabel, ruft Rana aufgeregt. Ja, brummt Vater Gohari, die schlechten Sitten seien sogar in die Familienserien eingezogen.

Was die Älteren beunruhigt, bindet die Jungen an das ansonsten biedere staatliche Fernsehen Ägyptens. Viele Seifenopernautoren haben ihren Finger am Puls der Zeit. Das gilt vor allem für die Serien, welche für den Fastenmonat Ramadan produziert werden. Dies ist die hohe Zeit des Fernsehens, denn nach einem anstrengenden Fastentag möchten sich die Muslime daheim entspannen. Allein auf den beiden Hauptkanälen werden während des Ramadans täglich acht Serien ausgestrahlt. Das hat sich in der arabischen Welt herumgesprochen, und von Syrien bis Marokko werden mit dem ägyptischen Informationsministerium lange vor dem heiligen Monat Verträge für den Aufkauf von Serien ausgehandelt.

Die Seifenopern sind heute Ägyptens erfolgreichster Exportartikel. Gedreht wird in der „Kinostadt“, in welcher ein Lehmdorf am Nil, ein fatimidisches Altstadtviertel, ein arabischer Suk und moderne Vorstadtvillen ägyptischer Neureicher die Palette der hiesigen sozialen Verhältnisse gekonnt abdecken.

Mit steigender Nachfrage ist der Inhalt der Soaps vielfältiger geworden. Während es früher darin fast ausschließlich um unglückliche Liebesgeschichten ging, versuchen die Autoren heute politische Themen aufzugreifen. Mut bewiesen die Urheber der Serie Rosenblüte, welche die verpönte Mischehe zwischen Koptinnen – ägyptischen Christinnen – und Muslimen thematisierte. Das bis anhin Unaussprechliche wurde mit dem Star des ägyptischen Kinos, Yussra, zum Hit. Der muslimische Drehbuchautor und der koptische Regisseur klagten dennoch, sich in ein Wespennest gesetzt zu haben. Beschimpfungen bis zu Todesdrohungen hätten sie über sich ergehen lassen müssen. Intellektuelle beider Konfessionen hingegen lobten, dass die Kopten, welche bisher wie in der Politik auch im Fernsehen ignoriert wurden, einmal Stars waren. KRISTINA BERGMANN