Clubs im Libanon

Je tiefer man steigt, desto näher scheint man einer verschwitzten und verrauchten Hölle zu kommen. Es ist Samstagnacht, kurz nach zwölf, die Hölle heißt BO18. Einige Teenager auf Ecstasy sind noch nicht von den Eltern nach Hause beordert worden, und die ersten Mittzwanziger treffen gerade ein. Der DJ legt den neuesten Techno aus Europa auf, der Barmann mixt gängige Drinks. Ein Schwuler zeigt seine Muskeln unter einem Halogenstrahler. Mädchen in kurzen Röcken präsentieren auf Sitzbänken, Tischen, einige sogar auf dem Tresen eine Mischung aus Bauchtanz und Technobewegungen.

BO18 war ursprünglich die Hausnummer eines Chalets, in dem vor Jahren die ersten Privatpartys mit elektronischer Musik in Beirut stattfanden. Die Partys wurden immer öffentlicher und das Chalet zu klein. Übergangsweise diente eine alte Fabrikhalle als Jazzclub, in dem auch mal Techno gespielt wurde – damals im Libanon noch gänzlich unbekannt. Dann ließen die Veranstalter Jungarchitekten Bernard Khoury die heutige Location bauen. Sie ergatterten ein billiges Gelände, auf dem Anfang der Siebzigerjahre ein Massaker stattgefunden hatte. Khoury machte aus der Disco eine persönliche Reflexion des libanesischen Bürgerkriegs: ein Club in Form eines Sarges. Er ließ die Wände mit rotem Samt verkleiden, die Tische erinnern an Grabsteine, geschmückt mit roten Rosen und Kerzen. Die Sitzbänke, ebenfalls in rotem Samt, sind zuklappbar. Die Decke ist nach oben hin zu öffnen, ähnlich einem Sargdeckel. Die libanesische Jugend feiert, ohne über den Krieg zu grübeln, und liebt das offene Dach. Wo sonst kann man bei Sternenhimmel und Vollmond, ab und zu auch bei strömendem Regen, tanzen?

Lange Zeit war das BO18 der einzige Technoclub im ganzen Libanon. Verrufen wegen Drogengeschichten, wurde die Disko mehrmals geschlossen. Inzwischen ist die Monot-Straße Beiruts liebste Partymeile: Ein Gässchen, während des Bürgerkriegs ziemlich zerstört und jetzt absolute In-Zone der Hauptstadt. Bars und Clubs schießen hier noch immer wie Pilze aus dem Boden, und inzwischen ist es schwer, den Überblick zu behalten.

Ein älterer Laden auf der Monot, wie die Straße von den Beirutern einfach genannt wird, ist der Circus. Eine orangefarbene Villa, innen mit buntem Zirkuskitsch dekoriert. Von einer Empore können die Besucher auf die Tanzenden herunterschauen. Beliebter Musikmix: ein bisschen Buddha-Bar, natürlich französischer Schmalz und etwas Ibiza-Café. Die älteste Bar auf der Monot ist das Paradiso. Ein Deutsch-Libanese hatte ein altes Haus in eine Tex-Mex-Bar verwandelt. Im Paradiso gibt es den besten Caipirinha in der ganzen Stadt, dazu gute Jazzmusik. Das Rai nebenan spielt, wie der Name schon sagt, vorzugsweise arabische Rai-Musik. Ein paar Häuser weiter wird in der Fubar House aufgelegt, in einer der Bars gegenüber Chillout-Musik. Im Ché, dem Edelrestaurant mit angeblich kubanischer Küche, kann man exotisch dinieren – Che Guevara würde sich im Grabe umdrehen, denn die Preise sind gar nicht kommunistisch. Wer möchte, geht danach ganz stilecht im Cuba Libre zu Latinomusik tanzen. Nicht abschrecken lassen vom äußeren Erscheinungsbild des Clubs, denn das erinnert mit seinen schwarzen Scheiben eher an einen Puff.

Die Clubkultur, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab, ist im Libanon inzwischen wichtiger Bestandteil der lokalen Kultur und Anziehungspunkt für Touristen geworden. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage funktionieren Bars, Restaurants und Clubs ausgezeichnet. Auch wenn sich das Land am Rande des Staatsbankrotts befindet – es wird gefeiert, was das Zeug hält. CHRISTINA FÖRCH