Arabischer Pop

Eine Frau geht über das Kopfsteinpflaster einer Altstadtgasse. Sie steigt eine Treppe hinauf und gelangt durch die Tür mitten in eine kubanische Party. „Salsa“, ertönt ein Ruf, dann setzen die Bläser ein. Die Band trägt weiße Anzüge, und alles leuchtet in gediegener Buena-Vista-Ästhetik. Plötzlich kippt die Musik ins Orientalische. Es könnte ein neues Musikvideo von Gloria Estefan sein. Es ist aber ein Clip von Nawal al-Zughbi, Libanons Antwort auf Jennifer Lopez.

Nawal al-Zughbi ist die erfolgreichste arabische Sängerin derzeit. Sie steht damit auf einer Stufe mit dem ägyptischen Superstar Amr Diab. Seit dessem größten Hit „Nour El Ain“ vor sechs Jahren gilt er als Begründer eines modernen, mediterranen Popstils, der ein wenig an den Flamencopop der Gipsy Kings erinnert.

Sänger wie Amr Diab werden im Nahen Osten gerne für Pepsi-Kampagnen eingesetzt, stehen sie doch für westlichen Lifestyle und Modernität. Ihre eingängigen Hits gehören tatsächlich einer anderen Zeitrechnung an als die schweren, getragenen Monumentalepen einer Umm Kalthum oder die melancholischen Kompositionen eines Abdal Wahab Meddeb, die einst das Gesicht der arabischen Musik geprägt haben. Es sind diese Traditionen, an die in Standardwerken wie „Al Tarab. Die Musik Ägyptens“ des französischen Musikwissenschaftlers Frédéric Lagrange gerne erinnert wird (Palmyra Verlag, Heidelberg 2000, 192 Seiten, 22 Euro).

Zwar gelten der Libanon und Ägypten in der arabischen Welt noch immer als kulturell tonangebend: Doch seit Ende der Achtzigerjahre haben sich die Gewichte zumindest im Pop verschoben. Damals flohen viele algerische Sänger vor der grassierenden Gewalt der Fundamentalisten nach Frankreich und machten dort Karriere. Heute denkt man in Europa bei arabischem Pop deshalb vor allem an jene Raimusik, die Sänger wie Khaled oder Cheb Mami auch in den Charts und Discotheken des Westens populär gemacht haben. Was in Europa Erfolg hat, strahlt auch auf den arabischen Raum zurück. Doch es schmerzt die Erben der hocharabischen Tradition, dass nun ausgerechnet die Parvenüs des Rai mit ihrem Dialekt, von dem niemand in Kairo oder Damaskus auch nur ein Wort versteht, im Westen die größten Erfolge einfahren. Der Maghreb galt schließlich stets als Peripherie.

Der Irak dagegen galt einst als eine weitere Wiege arabischer Hochkultur. Doch zwei Kriege und das lähmende Embargo haben das Land nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell um Jahrzehnte zurückgeworfen. Talenten wie Kadim al-Sahir blieb nur der Umzug nach Kairo oder Beirut übrig, um international Karriere zu machen. DANIEL BAX