: Rätselhafter Tod
Explosive Mischung aus Tanz, Musik und Theater: Das libanesische Maqamat Dance Theatre zeichnet in „Beyrouth Jaune“ auf Kampnagel das Bild einer Nach-Bürgerkriegs-Gesellschaft auf der Suche nach neuer Identität
Alles dreht sich um ein Mädchen, das Selbstmord begangen hat, und natürlich will man wissen: Warum? Denn in Wirklichkeit geht es ums Überleben und um die Träume, die damit verbunden sind. Es geht um das Theater und darum, was die Bühne mit dem richtigen Leben zu tun hat.
Für acht junge Menschen aus dem Libanon verkörpert das Theater sowohl Lebenskampf als auch Sehnsucht und Traum. Beyrouth Jaune erzählt vom Alltag einer Generation, die sich nach dem Bürgerkrieg neu zu definieren sucht. Das Maqamat Dance Theatre, gegründet 2002 vom Tänzer und Schauspieler Omar Rajeh, zeigt auf Kampnagel bei „Polyzentral“ seine erste abendfüllende Produktion.
Absurd und grausam ist die Welt, in die Rajeh führt. In seiner Heimatstadt Beirut – und auch in Hamburg – begeisterte er mit seinem selbstbewussten Einsatz von Tanz, Live-Musik und Theater. Das Mädchen im Mittelpunkt zum Beispiel ist eine Ballerina, die wie ein Relikt aus einer anderen Zeit auf ihren Spitzenschuhen über die Bühne stakst. Unerreichbar für die anderen, rührt sie in ihren Bewegungen an Erinnerungen von Harmonie. Ihr Tod bleibt ein Rätsel.
„Lasst uns improvisieren“, schlägt ein Tänzer zur Antwortfindung vor. Und in ungestümer Raserei jagen sich drei Tänzer, fallen übereinander her, springen sich gegenseitig an. Irgendwann werden sie zu knurrenden Hunden, denen der Speichel aus dem Maul tropft.
Nichts steht fest auf dieser Bühne, nichts hat einen angestammten Platz. Selbst das Schlagzeug, auf dem Khaled Yassin stürmische Einlagen liefert, bewegt sich auf einer rollenden Plattform. Dieser collagenhafte Bilderbogen ist vor allem ein Stück der Gegensätze. So distanziert die Ballerina auch wirkt, so präsent sind die beiden anderen Darstellerinnen, spielen mit einem Mut zur Hässlichkeit, wie man es von Frauen aus der arabischen Welt kaum vermutet hätte. Aber ein anderer Spieler macht dann wieder deutlich, dass der Umgang der Geschlechter miteinander doch nicht so einfach ist. Strichmännchen malt er in die Luft. Mit einer angedeuteten Geste auf Höhe des Geschlechtsteils stellt er verschämt fest: Junge oder Mädchen. Je länger er das macht, umso absurder und komischer wird seine Vorstellung. Wie überhaupt das Tanztheater von Omar Rajeh wie ein Kaleidoskop zwischen allen Gefühlslagen vibriert, wo man nie sicher sein kann, was als nächstes hervorbricht. Marga Wolff
nächste Vorstellungen: Sonnabend, 21 Uhr, Kampnagel (k2)