: Wieder mehr SPD-Mitglieder
SPD-Gericht hebt Parteiausschluss von drei Mitgliedern auf und mahnt zu mehr Toleranz
Am Sonntag wollen sie sich zusammensetzen, ein bisschen feiern und überlegen, wie und ob es weitergeht mit ihnen in der SPD. Dolf Straub, Irmtraud Schlosser und Waldemar Klemm, die SPD-Mitglieder, die im Bundestagswahlkampf per Anzeige den grünen Kandidaten Ströbele unterstützten, haben sich vor einer Bundesschiedskommission den Verbleib in der SPD erkämpft (die taz berichtete exklusiv). Das oberste SPD-Gericht fordert dabei von der Berliner SPD Toleranz gegenüber anders denkenden Mitgliedern. Die drei erwägen dennoch die Möglichkeit, nun freiwillig die Partei zu verlassen, der sie zusammen seit 103 Jahren angehören.
Das mit einer Oberverwaltungsgerichtspräsidentin an der Spitze hochkarätig besetzte Parteigericht hatte zuvor ihrem Protest gegen einen im November von der Landesschiedskommission verhängten SPD-Ausschluss stattgegeben. Schlosser und Straub müssen ihr Parteibuch nicht abgeben, sondern lediglich bis Februar 2005 ihre Mitgliedsrechte ruhen lassen. Für Klemm verringert sich eine auf Landesebene festgesetzte Ruhezeit von drei auf zwei Jahre.
Hintergrund des Verfahrens war eine Anzeige, die die drei mit zwei weiteren SPDlern im Bundestagswahlkampf schalteten. Dabei riefen sie unter der Überschrift „Sozialdemokraten für Hans-Christian Ströbele“ dazu auf, in Friedrichshain-Kreuzberg den Grünen zu wählen. Dabei unterstellten sie fälschlicherweise, dass SPD-Kandidat Andreas Matthae über die Landesliste der Partei abgesichert sei. Ströbele gewann mit rund 3.800 Stimmen Vorsprung vor Matthae.
SPD-Landeschef Peter Strieder reagierte gestern verärgert auf die Entscheidung der Kommission. „Ich halte das Urteil für falsch“, sagte er. Es öffne Tür und Tor, dass SPD-Mitglieder für Kandidaten anderer Parteien werben. Strieder hatte noch vor der Bundestagswahl Konsequenzen für die Ströbele-Unterstützer gefordert. Die SPD könne Leute nicht gebrauchen, die die Partei schädigten.
Die Kommission bestätigt durchaus, dass der Partei Schaden entstanden sei, obwohl nicht sicher festgestellt werden könne, ob SPD-Mann Matthae ohne die Anzeige gegen Ströbele gewonnen hätte. Einen Rauswurf hält sie hingegen nicht für angemessen. „Die Partei muss auch Mitglieder ertragen, die hartnäckiger als andere der offiziellen Parteilinie widersprechen; bei Einhaltung des zu fordernden Maßes an Rücksichtnahme müssen der Partei solche Mitglieder sogar erwünscht sein“, heißt es im Urteil. Zugleich mahnt das Gericht die Ströbele-Unterstützer: „Wer als Mitglied der Partei mit deren Zustand unzufrieden ist, darf nicht gleichzeitig wie ein Außenstehender agieren.“
STEFAN ALBERTI