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Archiv-Artikel

Aufwändiger Konstruktivismus

Kein Geld, kein Konzept: Der Doppelpack mit Picasso und Matisse ist ein Ausdruck der Berliner Museumsmisere.Die eigentlichen Planungen werden offenbar in Gstaad gemacht, der Alpenheimat von Friedrich Christian Flick

Die Kombi „Matisse/Picasso“ hat derzeit Konjunktur. Nachdem die Schau gleichen Titels – nach London und Paris – inzwischen in New York Einzug gehalten hat, macht sich jetzt Berlin seinen Reim darauf. Dass Besucher hier wie im nach Queens ausgelagerten Museum of Modern Art glauben könnten, es handle sich um die Schau eines Künstlers, der mit Vornamen Matisse und mit Nachnamen Picasso heiße, wie Werner Spies in der FAZ berichtet, ist unwahrscheinlich. In Berlin werden die zwei, die andere New Yorker wiederum als schwules Paar bewundern (Jahrzehnte lang zusammen, bei einem so unterschiedlichen Malstil), nämlich getrennt gezeigt.

In der Sammlung Berggruen im Stülerbau beim Charlottenburger Schloss sind nun die Scherenschnitte, die „Papiers découpés“ zu sehen, an denen Henri Matisse seit den 1940er-Jahren bis zu seinem Tod 1954 intensiv gearbeitet hat. Für die Ausstellung, die zuvor im Schirn in Frankfurt zusehen war, haben Leihgeber aus aller Welt die lichtempfindlichen (und daher nur selten präsentierten) Werke hergegeben. Ein Großteil der Arbeiten stammt aus der Sammlung von Heinz Berggruen selbst. Um die von Matisse als perfekte Synthese von Linie und Farbe gedachten „Papiers découpés“ zeigen zu können, wurden die Picassos, die sonst im Stülerbau zu sehen sind, in die Neue Nationalgalerie in der Potsdamer Straße ausgelagert. Das ist natürlich schön, weil die Nationalgalerie praktischer liegt. Da geht man schneller mal hin.

Trotzdem ist der Berliner Doppelpack auch Ausdruck der Museumsmisere. Kein Geld und kein Konzept, wie man Moderne und Gegenwartskunst in Berlin präsentieren will, führen dazu, dass die Planung offenbar immer mehr von Gstaad aus organisiert wird. Gstaad, ein hübsches Kaff in den Schweizer Alpen, ist die Heimat von Heinz Berggruen, aber auch von Friedrich Christian Flick. Im nachbarlichen Gespräch entwickelte man einst die Idee, dass Flick, nach seinem Scheitern in Zürich, mit seiner Sammlung doch nach Berlin gehen könnte. Zu welchem Zweck Berlin erst mal nach Gstaad reiste, in Person von Peter Klaus Schuster, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Hier wurde die Sache dann ausgedealt, Klaus Wowereit war auch irgendwie dabei – verstand man ihn auf der Pressekonferenz am 9. Januar richtig, wollte er sogar alles persönlich eingefädelt haben.

Eine interessante politische Unterstützung. Auf der Pressekonferenz wurde nämlich nach dem Vertragspartner der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gefragt, zu der die Berliner Museen gehören. Flick bestätigte, dass er über seine „Contemporary Art Limited“ mit Sitz auf der Kanalinsel Guernsey, eine der letzten Steueroasen Europas, agiere. „Contemporary Art Limited“ ist wiederum Hauptgesellschafterin der „Flick Kunstverwaltung GmbH“ in der Schweiz. Die Kunstzeitschrift Art vermutet hinter der aufwändigen Vertragskonstruktion die Furcht Flicks, „vom deutschen Fiskus zur Steuerzahlung aufgefordert zu werden“. Es soll um eine Summe von geschätzten 125 Millionen Euro gehen, etwa so hoch wie der Wert seiner Kunstsammlung veranschlagt wird. Warum aber kriegt es der Bürgermeister dann nicht hin, dass die „Flick Collection im Hamburger Bahnhof“ nicht nur eine Leihgabe für sieben Jahre ist, sondern eine Schenkung? BRIGITTE WERNEBURG