: In Sachen Ehe, Betrug, Scheidung
Dreizehn Freundinnen sollt ihr sein: Adriana Altaras inszeniert Claire Boothe Luce’ „Damen der Gesellschaft“ am Maxim Gorki Theater. Und dreizehn Schauspielerinnen kämpfen darum, den Text in eine Solonummer zu verwandeln
Nichts reicht an das wahre Leben heran, das muss sich Clare Boothe Luce gedacht haben, als sie in einer Toilette das Gespräch zweier Frauen über die Affäre eines Mannes belauschte, den auch sie gut kannte. In Sachen Ehe, Betrug, Scheidung brauchte die Dramatikerin mit niemandem konkurrieren. Davon bot ihr die Wirklichkeit ihres eigenen Liebeslebens genug. Nach der Trennung von ihrem ersten Ehemann 1929 begann sie bei der amerikanischen Vogue mit dem Schreiben, und irgendwann hatte sie auch genügend gesehen und erlebt, um mit beißender Ironie die tristen Höhepunkte der besseren Damen-Gesellschaft in abendfüllenden Theaterstücken aufzuspießen.
Dutzendweise treten denn auch Frauen in ihrem Klatschdenunziantenstück „Damen der Gesellschaft“ aus dem Jahr 1936 auf. Männer kommen nicht vor, aber das abwesende Geschlecht ist so präsent, dass es beim Nachmittagstee, beim Friseur und beim Sport den einzigen Gesprächsstoff liefert. Für ihn will sie schön und sexy sein, für ihn macht sie alles, für ihn steckt sie zurück, und wenn sie mit ihm nicht glücklich werden kann, tratscht sie futterneidisch das Unglück der anderen aus.
Mit dem Charme des Indiskreten hat das nichts zu tun, in der Inszenierung von Adriana Altaras am Maxim Gorki Theater. Es wird dick aufgetragen. Dafür sorgen schon die dreizehn Schauspielerinnen, die es sich nicht nehmen lassen, die pointensicheren Verwicklungen auf der Bühne in Ego-Solonummern zu verwandeln. Katja Riemann spielt die betrogene Maria Hahn, die wegen einer hinterlistigen Boutiqueverkäuferin von ihrem Mann geschieden wird und ehrenwert leidend um ihr Familienglück kämpft. Inga Busch gibt die durchtriebene und wenig bekleidetet Geliebte Kiki, Désirée Nick ist die intrigante Klatschbase Sylvia, die sich als allerbeste Freundin ausgibt und mit großer Geste klar macht, dass hier kein psychologisches Kammerspiel gegeben wird. Süffisantes Lächeln ist das strapazierte Mittel, um Distanz zu Themen wie Kinderkriegen oder Oberschenkelgymnastik zu gewinnen, die mit aller grotesken Drastik behandelt werden.
Altaras lässt den Frauen auf der Bühne sehr viel Raum – ein Phänomen, das gerne in Erscheinung tritt, wenn freundschaftlich verbrachte Zeit statt eines inhaltlichen Konzepts die Proben bestimmt. Was die Textvorlage sehr bissig als das traditionelle Rollenmodell Ehe unter die Lupe nimmt, wird zu einem bunten Revueabend mit vielen Karikaturen über das weibliche Geschlecht. Man sieht den Schauspielerinnen den Spaß an, mit dem sie die Röcke über den Strapsen lüpfen, wie sie mit Netzstrümpfen unterm Trainingsanzug im Fitnessstudio auftauchen, abwechselnd in Roben oder rosa Skijacken schlüpfen. Das alles trägt nicht lange. Irgendwann haben sich im Publikum auch die größten Katja-Riemann-Fans ausgelacht.
Wer Adriana Altaras über frauenbewegte Themen reden hört, gerät leicht in Versuchung, ihr die kämpferische Attitüde für Frauenthemen abzunehmen. Der Einsatz, mit dem sie vor knapp zwei Jahren Eve Enslers „Vagina-Monologe“ inszenierte, hat sich gut eingeprägt. Auf der Bühne entpuppt sich die Attitüde als nette Frechheit. Der Ertrag des verballhornten Witzes ist, gemessen am Mitteleinsatz, gering. Dabei fehlt es der Regie nicht an Einfällen, aber jeder wird so selbstverliebt ausgebreitet, dass sich eine hektische Starre ausbreitet, in der nur so großartige Schauspielerinnen wie Rosa Enskat oder Ursula Werner nuanciert bleiben können. Neben so viel hoher Schauspielkunst ist man peinlich berührt, wie Katja Riemann nicht mehr übrig bleibt, als in freundlich-kumpelhafter Haltung immer etwas zu aufgeblasen und zu selbstbewusst zu wirken. Das Publikum wird sie wohl als Zugpferd in dieses familienfreundliche Spektakel locken, in dem die mit Abstand interessanteste Frau eine andere ist: die Dramatikerin Boothe Luce und ihr einmalig turbulentes Leben. Bereits als bekannte Autorin angelte sie sich mit dem Verleger Harry Luce den nächsten Millionär, reiste für sein Fotomagazin Life als Kriegsreporterin nach Europa, zog später als Republikaner-Abgeordnete in den Kongress, um wenig später als Botschafterin nach Italien zu gehen. Dort erkrankte sie an einer Arsenvergiftung – wegen herabfallender Farbe von der Stuckdecke ihres Schlafzimmers. Eine Koketterie mit der Groteske des Lebens, der bei Altaras nicht das Wasser gereicht wird.
SIMONE KAEMPF
Wieder am 20., 21. und 30. 3., 3. 4., jew. 19.30 Uhr, Maxim Gorki Theater