Aus dem Sattel gehoben

Mit Martin Mischel setzt Molkerei-Gigant Nordmilch den spiritus rector des Team Milram frei. Gründe, warum man sich von ihm trennt, will man nicht nennen. Vielleicht, weil der Radsport-Rennstall auch allein genug bad news produziert

Auch wenn er nicht so aussieht: Martin Mischel ist einer der letzten echten Radsportbegeisterten Deutschlands. Und offiziell ist man bei Nordmilch noch immer sehr zufrieden mit dem Team Milram. Dass die realen Kosten des Profi-Radrennstalls bei sieben Millionen Euro jährlich liegen, will man dabei geheim halten. Gerne erwähnt wird dafür der virtuelle „Werbewert“: Der liegt laut Unternehmenssprecherin Godja Sönnichsen bei „40 bis 50 Millionen Euro“.

Allerdings: Die Bilanz des Radsport-Engagements stammt noch von Vorstand Martin Mischel. Und der hat künftig keinen Einfluss mehr auf diese Zahlen: Nordmilch hat den Erfinder des Teams Milram vergangene Woche aus dem Sattel gehoben. „Zu den Gründen sagen wir nichts“, so Sönnichsen. Bis die Genossenschaftsversammlung nachhakt, bleibt auch die Höhe der Abfindung Privatsache. Und Mischels Radsportbegeisterung wird’s werden.

Im August zahlte Nordmilch 32, im September nur noch 31 Cent pro Kilo Milch an die Bauern. Der Oktober-Preis wird Ende der Woche verkündet – und niedriger liegen. Dass sie jedem Milram-Radler monatlich etwa so viel zahlen, wie sie selbst im Jahr verdienen, stößt den Genossenschaftlern mittlerweile sauer auf. Und auch die Konzernspitze hat Mischels Erfolgszahlen mit einem kleinen Fragezeichen versehen: Wäre die Erwähnung des „skandalträchtigen Milram-Teams“ im Spiegel wirklich ebenso förderlich für den Absatz wie eine ganzseitige Anzeige für Frühlingsquark? Akute Frage, wo doch die Negativ-Nennungen in der Überzahl waren: Zwar hatte Alessandro Petacchi beim Giro d’Italia zunächst durch Tagessiege für gute Milram-Schlagzeilen gesorgt. Doch erwiesen die sich nachher als Beleg für die Leistungsfähigkeit der Pharma-Industrie. Kurz nach dem Kapitän musste auch noch der Spanier Igor Astarloa wegen Verstoßes gegen den Milram-Doping-Kodex geschasst werden. Damals hatten viele mit dem Rückzug auch von Milram aus dem Seuchensport gerechnet.

Mischel hingegen hat da noch einmal kräftig durchgetreten: Das Team, bei Gründung auch als Türöffner für den italienischen Markt angepriesen, war auf einmal einziger deutscher Radrennstall – und sollte im Heimatland Werbewirkung entfalten. Mischel kaufte also groß ein: Deutsche Radprofis, wie – für eine sechsstellige Summe – Linus Gerdemann. Dann kündigten ARD und ZDF an, vom Radsport künftig die Finger zu lassen. Und die Deutschland-Tour wurde auch abgesagt.

Egal, ob jemand zusieht oder nicht: Milram strampelt auch 2009 noch mit im Peloton. Weil – ja warum bloß? Weil Mischel so stur war, sagen die einen. Weil er die Verträge nicht mit einem Notausgang versehen hat, sagen die anderen. „Es wird dazu keine Stellungnahme geben“, sagt die Unternehmenssprecherin. BES