Erfolgreich blockiert und demonstriert

Die Atomgegner ziehen eine positive Bilanz der Castorproteste, an denen 16.000 Demonstranten teilgenommen hatten. Die Polizei mühte sich währenddessen an Betonblockaden ab – heimische Bauern hatten sich auf einer Zufahrtsstraße einbetoniert

Nachdem am Wochenende 16.000 Menschen ins Wendland gekommen waren, um gegen den Castortransport ins Zwischenlager Gorleben zu protestieren (taz berichtete), ist die Zahl der Demonstranten am Montag erwartungsgemäß zurückgegangen. Etwa 1.000 Leute blockierten am Nachmittag die Zufahrtsstraße nach Gorleben, nach Schätzungen der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kamen dazu „600 bis 800 Leute von außerhalb“. Über die Zahl der eingesetzten Polizisten macht die Polizei keine Angaben. „Das machen wir nicht während des Einsatzes“, sagte ein Sprecher der zuständigen Polizeidirektion Lüneburg. Spiegel online meldete gestern die Zahl von „10.000 Beamten“. Im Zwischenlager Gorleben standen bisher 80 Atommüllbehälter, mit dem jetzigen Transport erhöht sich diese Zahl auf 91 Fässer. Der Müll stammt aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague. TAZ

VON REIMAR PAUL

Der Castortransport stand gestern am späten Nachmittag immer noch abfahrbereit im Dannenberger Verladebahnhof, als maßgebliche Verursacher der Verspätung bereits Bilanz gezogen hatten. Die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg verbuchte die Protesttage im Wendland als großen Erfolg.

„16.000 Menschen, so viele wie seit 1977 nicht mehr, waren am Samstag bei der Großdemonstration“, bilanzierte Sprecher Wolfgang Ehmke. Tausende hätten sich an Blockaden beteiligt, es habe zudem zahlreiche Aktionen von Robin Wood und Greenpeace geben. „Wir sind zurück“, so die Bürgerinitiative. „Wir fordern den Atomausstieg. Das Moratorium in Gorleben darf nicht aufgehoben werden, der Standort ist politisch und geologisch verbrannt und wir lassen uns nicht fertig machen.“

Jochen Stay von der Initiative „X-tausendmal quer“ schloss sich der Einschätzung an. „Wir sind wieder da“, sagte er. Die Aktionen der letzten Tage und Stunden zeigten, dass sich sehr viele Menschen für den versprochenen Ausstieg engagierten. „Der Widerstand zeigt, womit zu rechnen ist, wenn der Ausstieg nicht endlich realisiert oder weiter in Frage gestellt wird.“

Nach den Protesten am Sonntag blockierten bei Harlingen auch in der Nacht zum Montag viele hundert Menschen an verschiedenen Stellen die Castorstrecke. Die Polizei räumte die Schienen, einige Barrikaden brannten, teilweise kamen CS-Gas und Schlagstöcke zum Einsatz. Es gab Verletzte auf beiden Seiten und viele Festnahmen.

Im Nachbarort Tollendorf bildeten Beamte dichte Ketten um abgedrängte Blockierer. „Im Kessel tanzen die Clowns“, tickerten die Protestgruppen im Internet. Begleitet von vier Hubschraubern, erreichte der Zug gegen 1 Uhr mit rund 16-stündiger Verspätung Dannenberg.

In einer Blitzaktion transportierten Landwirte am späten Vormittag zwei zuvor in Scheunen versteckte, etwa anderthalb Meter hohe Betonpyramiden auf die Straße. Jeweils vier Bäuerinnen und Bauern hatten sich angekettet, mit einem Arm steckten sie in den Betonklötzen. Gegen Kälte und Nässe hatten sich die Blockierer mit Strohsäcken und Aluminiumfolien geschützt. Auf einem Hof gegenüber servierte eine Volksküche Kaffee und heiße Suppe. Frauen aus dem Dorf liefen mit Kuchenblechen und Obstkörben herum.

„Wir wollen den Castortransport stoppen“, so Monika Tietke, eine Sprecherin der Notgemeinschaft. „Wir ketten uns hier an, um auf die verfehlte Atompolitik aufmerksam zu machen. Deshalb machen wir diese symbolische Aktion.“

Es dauerte Stunden, bis die Polizei schweres Werkzeug herangeschafft hatte. Als Techniker die Pyramiden aufbohren wollten, fiel der Generator vorübergehend aus. Die Einsatzleitung erwog, die angeketteten Bauern mitsamt der Steinklötze anzuheben – bis zum späten Nachmittag war die Blockade noch nicht beseitigt.

Vor dem Zwischenlager Gorleben meldete die Polizei hingegen um 16 Uhr Vollzug. Rund drei Stunden vorher hatten die Beamten mit der Räumung der Sitzblockade begonnen. Seit Samstagabend saßen hier bis zu 1.000 Demonstranten auf der Straße. Robin Wood-Leute hatten es sich mit Seil-Konstruktionen in den Bäumen gemütlich eingerichtet.

Auch in Quickborn, einem Ort auf der nördlichen der beiden in Frage kommenden Transportstrecken, mühte sich die Polizei an einer Bauernblockade ab. Landwirte hatten bereits am Vorabend rund 40 Traktoren auf der Dorfstraße abgestellt und teilweise ineinander verkeilt. Ein waghalsiger Kletterer stieg von einem Traktor auf den Hubwagen der Polizei. Die Beamten schienen eine Zeit lang ratlos. Sie wollten einen weiteren Kran ordern, um den Mann dort oben herunter zu bekommen. Am Nachmittag hatte etwa die Hälfte der beteiligten Bauern ihre Traktoren abgezogen. In Klein Gusborn auf der Südroute formierte sich unterdessen eine neue Blockade.

In dem von der Polizei komplett abgeriegelten Quickborn war gestern auch die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms unterwegs. Sie forderte die Veröffentlichung der amtlichen Messergebnisse an den Castoren. Greenpeace müsse noch vor Abfahrt des Transportes in Dannenberg die Möglichkeit erhalten, die Messungen unter optimalen Bedingungen zu wiederholen. Die Umweltschützer hatten nach eigenen Angaben stark erhöhte Neutronenstrahlung festgestellt. Die Bürgerinitiative verlangte, die Behälter dürften wegen der hohen Radioaktivität gar nicht auf die Straße und müssten nach Frankreich zurückgebracht werden.