: Zweite Front bröckelt
USA ziehen Milliardenofferte an Türkei angeblich zurück. Es gebe noch Alternativen. Tayyib Erdogan verschiebt zweite Parlamentsabstimmung
BERLIN ap/afp/rtr ■ Die USA planen bei ihrem möglichen Irakfeldzug offenbar nicht mehr mit einem Angriff von der Türkei aus. Wie aus US-Regierungskreisen am Samstag verlautete, wurde die Zusage von 15 Milliarden Dollar als Gegenleistung für die Stationierung von 62.000 Soldaten im türkischen Grenzgebiet zu Irak zurückgezogen.
Amerikanische Militärkommandeure und das Weiße Haus haben wiederholt erklärt, dass es Alternativen zur Errichtung einer zweiten Front gegen Irak von der Türkei aus gebe. Diese seien aber kostspieliger und gefährlicher. Aus dem Verteidigungsministerium verlautete, drei Schiffe mit Ausrüstung der 4. Infanteriedivision blieben zunächst vor der türkischen Küste.
Am Samstag hatte der neue türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angedeutet, er werde eine erneute Abstimmung über den Anfang des Monats schon einmal gescheiterten Antrag für die Stationierung von US-Kampftruppen nicht vor der Vertrauensabstimmung über sein Kabinett ansetzen. Die Abstimmung werde vermutlich erst am Sonntag erfolgen. Umfragen zufolge sind rund 80 Prozent der türkischen Bevölkerung weiter gegen einen Irakkrieg.
Gleichzeitig hat US-Präsident George W. Bush Erdogan eindringlich vor einer einseitigen türkischen Intervention in Nordirak gewarnt. Dies könne zu einer Konfrontation zwischen türkischen und US-Truppen führen, drohte Bush nach Informationen der türkischen Zeitung Milliyet. Die Warnung war demnach in einem Glückwunschschreiben von Bush an Erdogan formuliert, das der Regierungschef vergangene Woche nach seinem Einzug ins Parlament erhielt. Ähnlichen Druck hatte zuvor auch US-Vizepräsident Dick Cheney bei einem Telefonat mit Erdogan ausgeübt.
Der Irak hat unterdessen nach UN-Angaben weitere Raketen des Typs „Al-Samud“ zerstört. Entsprechend den Auflagen der UNO sei die Verschrottung fortgesetzt worden, teilte ein Sprecher der UNO-Inspektoren in Bagdad mit. Bisher hat Irak 68 der rund 120 Raketen zerstört. Die Zerstörung aller rund 120 Raketen dieses Typs gehört zu den zentralen Forderungen der UNO-Waffeninspektoren in Irak.