Ruhrgebiet versenkt IGLU

Das schlechte Abschneiden NRWs bei der Iglu-Studie liegt vor allem am Ruhrgebiet. Hier haben Kinder aus armen und MigrantInnen-Familien kaum eine Chance auf eine bessere Bildung

VON ANNIKA JOERES

Das Ruhrgebiet zieht NRWs Grundschulen nach unten: Die hier lebenden sozial schwachen und ausländischen Kinder haben nur geringe Chancen auf höhere Bildung. Auch deshalb landet NRW bei der nationalen Vergleichsstudie IGLU – der „Grundschul-Lese-Untersuchung“ – nur im Mittelfeld. Schulministerin Ute Schäfer (SPD) sagte: „Es ist beunruhigend, dass Kinder von zugezogenen Familien und aus unteren sozialen Schichten schwächere Leistungen zeigen.“ Es zeige sich aber auch, dass NRW mit der frühkindlichen Förderung den richtigen Weg eingeschlagen habe.

Der Weg führte bisher jedenfalls nicht ins Ruhrgebiet. Hier leben überdurchschnittlich viele Menschen ausländischer Herkunft. In Essen sind es beispielsweise über 15 Prozent, der Landedurchschnitt liegt bei zehn Prozent. Eine Studie der Projekt Ruhr zur „Bildungsbeteiligung im Ruhrgebiet“ zeigt die schlechten Chancen von MigrantInnen und armen Kindern: Wer arm und in einer ausländischen Familie geboren wird, hat kaum eine Chance, seinen Status jemals zu verbessern. Der Anteil Jugendlicher ohne Schulabschluss ist bei Migrantenkindern doppelt so hoch, ähnlich ist es bei den Hauptschulabschlüssen. Fach- und -Hochschulreife ist bei diesen Menschen um fast ein Fünftel niedriger als bei allen anderen. Die Studie zeigte schon im vergangenen Oktober, was IGLU jetzt amtlich macht: Die frühe Förderung der benachteiligten Kinder funktioniert nicht. Kommunen können bisher selbst entscheiden, ob sie Sprachkurse für Vorschulkinder anbieten oder nicht – bei der schlechten Finanzlage entscheiden sich die meisten dagegen.

„An der Sprachförderung haperts gewaltig“, sagt Udo Beckmann, Sprecher des Verbandes Erziehung und Wissenschaft in NRW. Das Land solle die Städte verpflichten, Deutsch-Kurse anzubieten, und zwar für die ganze Familie. „Das ist der Schlüssel zur Bildung“, sagt Beckmann. Außerdem müsste in den unteren Schichten Aufklärungsarbeit geleistet werden: „Hier hat Bildung nur einen geringen Stellenwert.“ Schon im Kindergarten müssten die ErzieherInnen auf die Eltern zugehen und ihnen klar machen, wie entscheidend ein erfolgreicher Schulbesuch sei.

Ralf Fleischhauer, Sprecher des NRW-Bildungsministeriums, kann die Vorwürfe nicht nachvolllziehen. „Es gibt genügend Sprachkurse.“ Knapp 20 Prozent aller SchülerInnen könnten gefördert werden und vier Stunden in der Woche Deutsch lernen. „Unser Angebot ist flächendeckend.“

Für Dirk Halm vom Essener Zentrum für Türkeistudien sagt die Anzahl der Sprachstunden nichts über die Qualität. „Die Kurse sind nicht sinnvoll mit den Fächern in der Schule verbunden.“ Deutsche Schulen hätten sich lange Zeit nicht als multikulturelle Orte verstanden, deswegen stecke das Konzept noch in den Kinderschuhen. „Das ist ein Prozess über Generationen.“