„Warum macht ihr das?“

Drei Australier, als menschliche Schutzschilde in den Irak gereist, über ihre Gründe, das Land nicht zu verlassen

Konsequent, verrückt oder lebensmüde? Fünf Australier sind als „menschliche Schutzschilde“ nach Bagdad gereist und dort geblieben. Sie wollen durch ihre Anwesenheit einen Angriff auf lebenswichtige Infrastruktur verhindern oder zumindest den politischen Preis dafür in die Höhe treiben – unter Gefährdung des eigenen Lebens. Wir dokumentieren hier Stellungnahmen von drei der fünf menschlichen Schutzschilde aus einem offenen Brief an Australiens Premierminister John Howard vom 17. März. Seine Regierung beteiligt sich mit 2.000 Soldaten am Irakkrieg.

Ruth Russel aus Adelaide, Südaustralien, postiert am Taji-Getreidesilo, Bagdad:

„Wieder einmal lädt Australien Schande auf sich als eine Nation, die nicht länger an das internationale Recht glaubt, an die menschliche Würde und den Frieden. Noch gestern haben die UN-Waffeninspektoren gesagt, dass Irak die Bedingungen erfüllt. Es hat nie ein überzeugendes Argument für eine Militärintervention gegeben.

Ich bin nach Irak als menschliches Schutzschild gekommen in tiefer Verzweiflung und Frustration darüber, dass alternative gewaltfreie Lösungen von Ihnen, Mr. Howard, niemals überhaupt nur in Erwägung gezogen wurden.

Die Frage, die man mir hier in Bagdad andauernd stellt, ist: ‚Wir dachten, Australien sei unser Freund – warum also macht ihr das?‘ Es gibt keine Antwort, die ich darauf geben könnte. Ich denke, die große Frage für Australier zu Hause ist, wie wir unsere Verfassung so ändern können, dass wir einen Premierminister haben, der auf die juristischen Experten hören muss, die sagen, dass dieser Krieg ‚illegal‘ ist, also außerhalb des internationalen Rechts; auf medizinische Experten, Kirchenführer und humanitäre Gruppen, die sagen, dass es ein humanitäres Desaster großen Ausmaßes geben wird; auf die Anzac-[australisch-neuseeländischer Verteidigungspakt]-‚Helden‘ und Vietnam-Veteranen, die sagen, dass Kriegstraumata lebenslang andauern; und vor allem auf die Bevölkerung Australiens, die sagt, dass es inakzeptabel ist, sich an diesem und jedem künftigen Krieg zu beteiligen.

Ich bin eine Mutter, die hierher gekommen ist, um als menschliches Schutzschild ein von der UNO als humanitäre Einrichtung klassifiziertes Gelände zu schützen: das Taji-Getreidesilo im Norden von Bagdad. Hier wird ein Großteil des aus Australien gelieferten Weizens gelagert, der fünf Millionen Menschen ernährt.

Wenn ich geötet werde, beweist das die Ermordung unschuldiger Zivilisten. Meine Kinder werden ihre Mutter verlieren, so wie tausende andere irakische Familien ihre Väter, Ehemänner, Mütter und Kinder verlieren. Wir weigern uns, ‚Kollateralschäden‘ genannt zu werden. Dies ist die letzte Beleidigung und steht für diesen neuen Typ von Militarismus, den die Menschen auf dieser Welt so ablehnen.

Als Australier wissen wir, dass Gewalt auf Schulhöfen und zwischen den Geschlechtern sowie Morde in unseren Gemeinden illegal und völlig inakzeptabel sind. Wie kann es dann für Australier akzeptabel sein, Fremde in einem fremden Land zu töten? Macht keinen Fehler! Bei diesem Krieg geht es um das Töten unschuldiger Menschen durch Schreibtischtäter.

Mir tun die australischen Soldaten und ihre Familien Leid, die in einer Lage sind, um die ich sie nicht beneide, und die jetzt etwas sehr Unehrenhaftes tun müssen. Diese extreme Form von Gewalt wird nicht in meinem Namen begangen.“

Rosemarie Gillespie, aus Waratah, Neusüdwales, postiert beim Wasserwerk „7. April“, Bagdad:

„Ich bin eine 62-jährige Großmutter, stamme von Europäern und Aborigines ab, bin Menschenrechtsanwältin und hier beim Wasserwerk ‚7. April‘ am Ufer des Tigris stationiert.

Ich habe ein Kind geboren und erinnere mich noch gut an die Leidenschaft und Freude, als ich neues Leben in die Welt brachte. Niemals habe ich gedacht, dass so etwas jemals passieren könnte wie das, was uns jetzt droht. Die geplante Invasion des Irak und die damit einhergehende Bombardierung ist nur noch eine Frage von Tagen. Die Rechte von Nationen und Völkern, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt sind, werden mit Füßen getreten. Wenn Kampfflieger aufheulen und ihre Bomben abwerfen – denkt an die Kinder des Irak!

Trotz der Drohung mit massiven Bombardierungen will ich bei der irakischen Bevölkerung bleiben. Ich werde mit meinem Leben die Rechte der Völker und der Nationen auf ihre Freiheit von Invasion, Freiheit von Angst und Freiheit von Krieg verteidigen.

Das Wasserwerk ‚7. April‘ bereitet Wasser für drei Millionen Menschen auf, das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung Bagdads. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist hier ebenfalls vertreten. Es bereitet tausende Liter besonders sauberes Wassers auf, zur Nutzung in den Krankenhäusern von Bagdad. Wenn dieses Gelände bombardiert wird, ist das ein Kriegsverbrechen, eine klare Verletzung des internationalen Völkerrechts. Die Bombardierung des Wasserwerks würde den tausendfachen Tod von Menschen verursachen, die dann keine andere Wahl haben, als unreines Wasser zu trinken. Kleine Kinder sind besonders gefährdet durch von unsauberem Wasser verursachte Krankheiten. Sie würden sterben.

Bitte tun Sie alles, um diesen Krieg zu stoppen. Wenn die [australische] Howard-Regierung nicht auf ihre Bevölkerung hört, hat sie die Prinzipien der Demokratie verraten, nach denen sie gewählt wurde, und ist zu einer Diktatur geworden. Ziviler Ungehorsam, einschließlich Arbeitsniederlegungen, ist das Einzige, was John Howard noch stoppen kann, uns hier in Bagdad von Aussie-Piloten bombardieren zu lassen. In Liebe, Frieden und – wenn nötig – Aufopferung.“

Usssama al-Schaban aus Queensland, postiert bei der Daura-Ölraffinerie, Bagdad:

„Ich bin 49 Jahre alt, in Bagdad geboren. Ich bin australischer Staatsbürger, Ingenieur und arbeite im Norden von Queensland, in Mareeba. Ich liebe meinen Job und die Menschen, mit denen ich arbeite.

Ich bin nach Bagdad gekommen, in die Stadt des Wissens, als menschliches Schutzschild, um den irakischen Menschen gegen den Krieg beizustehen. Ich weiß, dass dieser Krieg ein ungerechtfertigter Krieg ist. Unsere Mission ist friedlich und basiert auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden. Die Mehrheit der Iraker will Frieden. Die Mehrheit der Australier will Frieden. Ich möchte der australischen Bevölkerung danken und dem Rest der Welt danken für ihre Solidarität und die Unterstützung unserer Friedensmission.

Ich möchte den Vereinten Nationen folgende Botschaft schicken: Tun Sie Ihr Bestes, um einen Krieg zu verhindern. Tun Sie alles dafür, dass die Resolutionen des Sicherheitsrats zu Palästina genauso strikt angewendet werden wie die zum Irak – Großbritannien und die Vereinigten Staaten messen mit zweierlei Maß. Retten Sie die Kinder des Irak, indem Sie die Sanktionen aufheben.

Kein Krieg für Öl.“

ÜBERSETZUNG AUS DEM
ENGLISCHEN: SVEN HANSEN

Quelle: www.active.org.au/sydney/news/ front.php3?article_id=2255&group=webcast