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Archiv-Artikel

Schröder kritisiert Bush nur indirekt

Bundesregierung erfährt von Bombardements aus dem Fernsehen. Struck: „Fühlen uns nicht auf den Schlips getreten“

Von UH

BERLIN taz/afp/dpa ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder wandte sich gestern Abend ans deutsche Fernsehvolk – und seine Fünfminutenrede fiel überraschend diplomatisch aus. Er verurteilte den Irakkrieg, aber er vermied es, die USA als Akteur zu benennen. Stattdessen blieb der Kanzler beim anonymen es: „Es ist eine falsche Entscheidung getroffen worden“, lautete der Kernsatz, den Schröder sogar wortgleich wiederholte.

Überhaupt wollte der Kanzler weniger „Versäumnisse auflisten“, sondern „in die Zukunft weisen“. Er sagte humanitäre Hilfe zu und bot an, dass sich Deutschland daran beteiligt, „zu einer politischen Ordnung nach dem Krieg beizutragen“. Der Zusatz war allerdings nicht zu überhören: „Unter der Führung der Vereinten Nationen“. Erst danach, und wieder versöhnlich, kam Schröder explizit auf die USA zu sprechen: „Die Differenzen über einen Krieg sind klare Meinungsunterschiede zwischen Regierungen, nicht tief greifende Differenzen zwischen befreundeten Völkern. Die Substanz unserer Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist nicht gefährdet.“

Momentan allerdings ist von dieser Substanz nichts zu spüren. Die USA hielten es nicht für nötig, den deutschen Nato-Partner vom Kriegsbeginn zu verständigen. So erfuhr Gerhard Schröder erst von seinem „Lagedienst“ im Bundeskanzleramt, dass die Bombardements begonnen haben.

Die Informationen stammten aus so öffentlichen Quellen wie dem Fernsehen und den Nachrichtenagenturen, ergänzt um Hinweise der Geheimdienste. So ließ der BND gestern stolz durchblicken, man habe vom Angriff der USA im Voraus gewusst – „und zwar aus eigenem Aufkommen und nicht nur über Partnerdienste“. Verteidigungsminister Peter Struck kommentierte das US-Verhalten gelassen: „Wir fühlen uns nicht auf den Schlips getreten.“ Der Krieg sei ja absehbar gewesen, da müsse man nicht auf „Formalitäten“ bestehen.

Mittags versammelte sich dann das „Sicherheitskabinett“, dem die wichtigsten Minister angehören. Allerdings scheint die Sicherheitslage stabil zu sein, man tagte nur etwa eine halbe Stunde. Das Innenministerium trug die Erkenntnis bei, dass es bisher keine konkreten Hinweise auf terroristische Aktivitäten in Deutschland gebe – dennoch habe sich die Gefahr „schlagartig verstärkt“. Bei den Nachrichtendiensten gilt daher „höchste Alarmstufe“. Kein Grund zur Unruhe herrscht dagegen bei der Ölversorgung. Sie sei ungefährdet, versicherte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement während der Haushaltsberatungen im Bundestag. UH