: Holst gegen Hopplahopp-Videos
Der Landesdatenschützer hat seinen Bericht vorgelegt. Zwei Ärgernisse von vielen: die Überwachung am Bahnhofsvorplatz und der Fehlversand von Steuerbescheiden. Der Mann hat gut zu tun. Gesamtkontrolle sei nicht drin: „Das schaffe ich nicht“
taz ■ Im „Hopplahopp-Verfahren“ sei die technische Ausrüstung für die Video-Überwachung des Bahnhofsvorplatzes ausgesucht worden – „hopplahopp“ und ohne ihn, kritisierte gestern der Landesdatenschutzbeauftragte Sven Holst. Holst übergab gestern der Bürgerschaft seinen Jahresbericht 2002. Die Vorgänge am Bahnhofsvorplatz waren da nur ein Ärgernis unter vielen.
Das größte datenschutzrechtliche Ärgernis im vergangenen Jahr war wohl die Rasterfahndung – seine Kritik daran hatte Holst schon vor zwei Wochen publik gemacht (die taz berichtete). Wohlweißlich: Denn im Jahr zuvor hatte dieses Thema bei der Berichts-Präsentation „alles andere plattgemacht“.
Also der Bahnhofsvorplatz. Seit Oktober wird er mit Videokameras überwacht. Die Anlage ging in Betrieb, „ohne dass den datenschutzrechtlichen Anforderungen im ausreichenden Maße Rechnung getragen worden war“, beschwert sich Holst. Er sei viel zu spät informiert worden, habe nicht mehr mitreden können bei der Entscheidung, welche Technik angeschafft wird – so dass bereits hier Datenschutz keine Rolle spielte.
Durch die Kameras werden alle Personen „reproduzierbar festgehalten“, so Holst. „Ich sehe das besonders kritisch hinsichtlich des Sex-Shops, der sich dort befindet.“ Im Klartext: Es geht die Polizei nichts an, wer da hineingeht. Die Kameras funktionierten gut – fast zu gut, erzählt Holst von einem Besuch mit Bürgerschaftsabgeordneten im Lagezentrum der Polizei, wohin die Kameras ihre Bilder übertragen. „Die Abgeordneten waren sehr überrascht, wie deutlich und klar die Bilder sind.“ Holst regt den Einsatz einer Software an, durch die die Gesichter der Passanten verschleiert würden – im Fall einer Strafttat könnte die Verschleierung nachträglich aufgehoben werden. Als Holst seinen Bericht verfasste, notierte er noch „seitens der Polizei keine Reaktion“. Inzwischen, sagte er gestern, sei „Bewegung in die Sache gekommen“. Auch in die Diskussion um die Schilder, die über die Überwachung informieren. Zwei davon gibt es am Bahnhof, laut Holst viel zu klein, als dass ihr Zweck – den Bürger über seine Überwachung zu informieren und potenzielle Straftäter abzuschrecken – erfüllt werde.
Unter Ziffer 12.4 in seinem 120 Beiträge umfassenden Bericht enthüllt Holst ein peinliches Versehen bei der ID Bremen, einem Eigenbetrieb, der im Auftrag der Finanzämter Bescheide verschickt: In einem „nicht näher abgrenzbaren Zeitraum“ seien bis November 2002 Steuerbescheide mit mehreren Blättern in je einzelnen Umschlägen kuvertiert worden. Oder es wurden versehentlich zwei Blätter in einem Umschlag kuvertiert. Ein Steuerberater und mehrere Bürger, die plötzlich völlig fremde Bescheide in Händen hielten, schickten die Unterlagen zurück – so flog das Ganze auf. Die Ursache: ein Fehler in der Steuerungssoftware der Kuvertiermaschine. Holsts Fazit: „Das Krisenmanagement hat nicht optimal funktioniert.“ Denn die Finanzämter erfuhren viel zu spät von der Panne, bei ID Bremen will es keiner gewesen sein. Wieviele Bürger wessen Bescheide bekommen hätten, sei nicht mehr nachvollziehbar. Alle Bürger, denen Nachteile aus dem Fehlversand entstehen könnten, sollten jetzt benachrichtigt werden, hat Holst angeregt. Aber: „Eine Antwort des Finanzsenators steht noch aus.“
Sven Holst vermeldete gestern auch Gutes: Das Bremische Datenschutzgesetz, das Ende vergangenen Jahres in Kraft getreten war, stärke die Rechte der Betroffenen, des Parlaments und des Datenschutzbeauftragten. Jede Dienststelle der öffentlichen Verwaltung, so legt es das Gesetz jetzt fest, braucht einen Datenschutzbeauftragten. „Das führt zu einer Effektivierung vor Ort.“ Denn eine Gesamtkontrolle sei nicht drin. Holst: „Das schaffe ich nicht.“
Susanne Gieffers
Der vollständige Jahresbericht steht im Internet unter www.datenschutz.bremen.de oder kann unter ☎ 0471/924610 angefordert werden