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Archiv-Artikel

Apparatemedizin bringt Geld

betr.: „Geld für Zeit“ von Wilfried Deiß, taz (Debatte) vom 14. 3. 03

Als niedergelassener Facharzt für Urologie kann ich die aufgezeigten Mechanismen der belohnten Hypochonderzüchtung durch viele (nicht alle) Ärzte bestätigen. Solange die Ärzte dafür belohnt werden, immer mehr Kranke zu behandeln, wird sich hier nichts ändern.

Einen Tipp für die Kollegen, die hier einen ersten Schritt in die diagnostische und therapeutische Unabhängigkeit von äußeren Zwängen gehen wollen: Keine Pharmavertreter in der Praxis! Von mir seit drei Jahren praktiziert und mit sehr viel mehr Zeit für meine Patienten, mehr Freizeit für mich und vor allen Dingen Unabhängigkeit in der medikamentösen Therapie belohnt.

DR. B. FRIEDRICH, Püttlingen

Selten habe ich eine so klare Problemdarstellung der Arbeit in der ärztlichen Praxis gelesen, und wie sie gesteuert wird durch das Honorierungssystem! Aber es ist noch komplizierter: Nicht nur, dass „Tun“ bezahlt und „Lassen“ nichts wert ist – Apparatemedizin bringt Geld, psychosomatische Begleitung lohnt nicht.

Beispiel Schwangerschaft: Die Pauschalziffer 100, die die gesamte Beratung + Betreuung + Behandlung einer Schwangeren während eines Quartals abdeckt, bringt mit 1.850 Punkten gerade mal zirka 90 Euro Ertrag. Da „lohnt“ es sich nicht, komplizierte Fälle beobachtend und stärkend ambulant zu begleiten. Das Prinzip der „tender loving care“ – also der zeitintensiven Betreuung z. B. nach wiederholten Fehlgeburten – funktioniert zwar gut für die Frauen, geht aber auf Kosten des Arztes/der Ärztin. Da ist es nicht verwunderlich, dass stattdessen Apparate eingesetzt werden: Eine Doppler-Untersuchung bringt mit 1.950 Punkten mehr! Oder noch simpler: Einweisung ins Krankenhaus. Da kostet zwar jeder Tag 300 bis 500 Euro – aber aus einem anderen Portemonnaie. Und ich bin die Verantwortung los – wenn dann doch etwas passiert.

Beispiel Krebserkrankung: Ich kann jede Chemotherapie anordnen, die teuersten Kontrolluntersuchungen – alles wird ohne Problem bezahlt. Aber eine psychoonkologische Begleitung, die gerade nach der Erstdiagnose oder bei Metastasierung oft so notwendig ist, um zurechtzukommen mit dem Schock und um Entscheidungen über Therapiealternativen bis hin zum „Nichtstun“ treffen zu können – ist keine Standard-Kassenleistung, sondern muss im Gutachterverfahren erkämpft werden.

Ärztliche Zeit ist Geld – wenn das honoriert würde, sähe das Gesundheitssystem anders aus, ich meine besser.

DR. CLAUDIA SCHUMANN, Frauenärztin/Psychotherapie,

Frauenheilkunde im AKF, Northeim