rot-grüne reformen
: Hin und her, hopp und stopp

Dankenswerterweise hat die SPD ganz von selbst erkannt, dass das Koalitionsgeplänkel um das Tempo der Reformpolitik „künstlich“ ist. Denn es ist unmöglich, über Geschwindigkeit zu streiten, ohne zu sagen, was überhaupt wohin bewegt werden soll. Diese Frage beantwortet aber auch der Kanzler nicht. Der ersetzte gestern nun die Parole von letzter Woche – „Belastungsgrenze ist erreicht“ – durch die Sprachreglung, auch das Jahr 2004 werde ein „Jahr der tief greifenden Reformen“.

KOMMENTAR VON ULRIKE WINKELMANN

Schröder gibt bloß die Rhetorik vor, mit der erledigt werden soll, was eh erledigt werden muss: die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zur Pflege, das Nachbessern der Riester-Rente, die Ausgliederung des Zahnersatzes aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Nichts davon hat ein Fluidum von Fortschritt und Bewegung. Es handelt sich vielmehr um Gott-steh-uns-bei-Aktionen, erzwungen vom Karlsruher Gericht, vom Vorsorge-Unwillen des Volkes und von der CDU.

Die SPD und auch die Grünen können bei der Umsetzung dieses ungeliebten Programms nur verlieren. Kein Wunder, dass sie sich schwer tun, Formeln dafür zu finden, unter denen sie es verkaufen wollen. Entfallen ist jetzt die Chance, die Last für die Öffentlichkeit einfach wegzureden, wenn man sie als Regierung schon nicht ignorieren kann. „Wir haben das Notwendige getan“ – dieser Wahlspruch des Generalsekretärs Olaf Scholz stand für den Versuch, das Reformprogramm zum Alltagsgeschäft zu degradieren, das keinem wehtut.

Schröder hat sich anders entschieden. Jetzt tut die Regierung wieder so, als gehöre das Reformprogramm 2004 zum genialen Masterplan der Agenda 2010, die übrigens Arbeitsplätze und öffentlichen Wohlstand schaffen wird. Diese Wahl entspricht Schröders Arbeitsweise des Hin und Her: Nachdem er zunächst die Pflegereform aus Angst vor Negativschlagzeilen gestoppt hatte, hat er nach Durchsicht der Negativschlagzeilen über den Pflegereformstopp beschlossen, dass jedenfalls das Wort „Reform“ gerettet werden muss.

Eine Auseinandersetzung dagegen mit Verkrustungen in der Partei oder gar einen Dissens in der SPD über Umverteilung und Veränderung braucht hier niemand zu vermuten. Das hieße, die Hopp-und-stopp-Öffentlichkeitsarbeit der SPD-Spitze überzubewerten. Ihr geht es um Verkaufe, nicht um Inhalte.

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