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Archiv-Artikel

Behinderte bürokratisch verwaltet

betr.: „Jahrhundertreform wird reformiert und gerupft“, taz vom 22. 1. 04

Für die Allerschwächsten in unserer Gesellschaft: Altersverwirrte, schwer geistig Behinderte und chronisch psychisch Kranke gab es bisher die Hilfe einer rechtlichen Betreuung. Jetzt wollen die Justizminister dieses Recht offenbar abschaffen! Was auf dem Papier als Verbesserung verkauft wird, ist der Tod für das Betreuungsrecht.

Angehörige und engagierte Bürger, die dieses Ehrenamt übernommen haben (und das sind 75 Prozent aller Betreuungen!), werden künftig keinerlei Unterstützung durch die Betreuungsvereine der Wohlfahrtsverbände mehr erhalten können, keine Anleitung, Beratung, Schulung – nichts! Warum? Weil ihr Hauptansprechpartner, die Betreuungsvereine, kaputtgespart werden.

Bereits die Folgen der letzten Gesetzesänderung 1999 trieben die Vereine in die roten Zahlen. Wenn Vereinsmitarbeiter künftig nur noch 2 bis 3,5 Stunden monatlich für die meisten Betreuten abrechnen dürfen, können sie sich nicht mehr finanzieren. Dass damit gleichzeitig die Infrastruktur für die Ehrenamtlichen stirbt, hat offenbar niemand bedacht!

Oder sollen die Vereinsmitarbeiter künftig 80 Fälle und mehr führen, um sich zu finanzieren? In der tariflichen Arbeitszeit? Das wäre eine menschenunwürdige, rein bürokratische Verwaltung der Betroffenen, aber keine Betreuung mehr! Macht ja nichts! Alzheimerkranke oder Behinderte können sich ja nicht mehr wehren. Und sie haben ja bald keinen mehr, der ihre Interessen vertritt!

ROBERT RIEDEL, Grafing

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