: Jetzt soll ein Entsendegesetz her
Nachdem das Verfassungsgericht den Eilantrag der FDP zu deutschen Awacs-Einsätzen abgelehnt hat, pochen Liberale und Union auf ein Entsendegesetz
von CHRISTIAN RATH
CDU/CSU und die FDP fordern ein Entsendegesetz. Es soll klären, unter welchen Voraussetzungen der Bundestag einem Auslandseinsatz der Bundeswehr zustimmen muss. Die Oppositionsfraktionen reagieren damit auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstagabend, mit der die Richter einen Eilantrag der FDP ablehnten. Die Partei wollte eine Abstimmung im Bundestag über den Awacs-Einsatz deutscher Soldaten in der Türkei erzwingen.
Das Gericht ließ dabei offen, ob die Liberalen in der Sache Recht haben. „Es ist nicht auszuschließen, dass es sich um einen Einsatz handelt, dem der Bundestag zustimmen muss“, hieß es in Karlsruhe. Eindeutig sei die Lage aber nicht, da die Soldaten derzeit „nicht unmittelbar“ in Kampfhandlungen einbezogen seien. Karlsruhe sorgte damit weder für Rechtssicherheit – wie FDP-Chef Westerwelle meinte – noch bestätigte es die Linie der Bundesregierung – wie Kanzler Schröder behauptete.
Das Gericht wog lediglich, wie es in Eilverfahren üblich ist, die Risiken einer positiven oder negativen Entscheidung gegeneinander ab. Die Richter betonten dabei die außenpolitische Verantwortung der Bundesregierung. Ihr dürfe keine Parlamentsabstimmung aufgezwungen werden, die sich später im Hauptverfahren als unnötig erweisen könnte. Zugleich bekräftigten sie, dass die Bundeswehr ein „Parlamentsheer“ ist. Doch ein „deutliches Überwiegen“ der Parlamentsrechte konnten sie nicht erkennen und verzichteten daher auf die von der FDP beantragte einstweilige Anordnung.
Vor elf Jahren hatte das Gericht entschieden, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr zulässig sind, grundsätzlich aber die vorherige Zustimmung des Bundestags einzuholen ist. Was ein „Einsatz“ ist, ließ das Gericht damals offen. Für zustimmungsbedürftig hielt es allerdings auch friedliche Blauhelm-Missionen. Es sprach daher viel dafür, dass auch für die Beteiligung deutscher Soldaten an der Luftaufklärung über der Türkei ein Parlamentsmandat erforderlich war.
Ob Karlsruhe noch einmal Gelegenheit bekommt, klare Vorgaben zu machen, hängt jetzt von der FDP ab. Bisher hatte die Partei lediglich den nun abgelehnten Eilantrag gestellt.
Gestern sagte Westerwelle, die FDP wolle Anfang nächster Woche entscheiden, ob sie ein Hauptsacheverfahren anstrebt. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt betonte, dass jetzt der Bundestag selbst für Klarheit sorgen müsse, indem er endlich ein Entsendegesetz beschließt. Auch Wolfgang Schäuble, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU, sprach sich für diesen Weg aus. Bundeskanzler Schröder (SPD) will darüber aber erst nach dem Ende des Irakkrieges reden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Bundestag schon 1994 aufgefordert, „Form und Ausmaß“ der Mitbestimmung bei Auslandseinsätzen per Gesetz festzulegen. Bis heute haben Bundestag und Regierung diese Aufforderung jedoch ignoriert.
Damals sprachen sich SPD und Grüne für ein derartiges Gesetz aus, während die christlich-liberale Regierung mauerte. So wollte die SPD sicherstellen, dass Auslandseinsätze ohne UNO-Mandat generell ausgeschlossen werden. Die Grünen forderten, dass die Parlamentszustimmung stets an eine Zweidrittelmehrheit gebunden ist. Es ging damals also eindeutig um eine Verschärfung der von Karlsruhe aufgestellten Grundsätze.
Seit Rot-Grün an der Regierung ist, hat sich das Bild gedreht. Nun fordern vor allem Union und FDP das Gesetz, während die Grünen vehement dagegen sind. Sie fürchten, dass die Hürden für Auslandseinsätze abgesenkt werden, und legten deshalb bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD im letzten Herbst ein Veto ein. Der bisher einzige in den Bundestag eingebrachte Antrag auf ein Entsendegesetz stammt von der FDP, was zeigt, dass ihr das Thema nicht nur aus taktischen Gründen wichtig ist. Unter anderem wollen die Liberalen einen Ausschuss einrichten, der in eiligen oder geheimhaltungsbedürftigen Fällen für das Parlament handeln kann.