Der Weg zum Powerseller

Schön fröhlich sein: Bei den Bremer Gründungstagen schwingen Politiker die üblichen Reden – doch Jungunternehmer können sich auch seriös über Chancen und Tücken ihres Vorhabens informieren

„Legen Sie sich nicht in das Prokrustesbett des öffentlichen Dienstes“

taz ■ „Ready2go!“ schreit einem der Hochglanzprospekt entgegen. Und vom Titelblatt desselben hüpfen dem Betrachter zwei junge, hippe, tatendurstige Existenzgründer entgegen. Die blondierte Frau und der geheimratseckige Mann werben für die vierten Bremer „Gründungstage“, die heute hier ein Forum bieten sollen „für Existenzgründerinnen und -gründer sowie junge Unternehmen“. Banken, Kammern, Arbeitsamt und Einrichtungen wie das Frauenbildungswerk Belladonna haben in Messehalle 4 Infostände aufgebaut, außerdem gibt es Vorträge und Workshops satt. Gestemmt hat den Kongress die Bremer Existenzgründungsinitiative (BEGIN), die Jungunternehmer berät und ihnen Fördermöglichkeiten vermittelt.

Gestern Vormittag bereits durften Bremer SchülerInnen zeigen, welch großes Talent zum Unternehmertum in ihnen steckt. Vor den Augen des stolzen Wirtschaftssenators Josef Hattig (CDU) präsentierten Kids vom Huchtinger Schulzentrum Willakedamm ihre Übungsfirma H.O.L.Z, mit der ZehntklässlerInnen Lernmaterialien für Grundschulen entwickeln, produzieren und erfolgreich vertreiben – via Internet sogar bis nach Madrid. Beeindruckendes leisten auch 15 Jungs von der Gesamtschule West: Ihr „Technik-Service-Team“ hat sich auf „Dienstleistungen für Schulen“ spezialisiert, repariert kaputte Stühle oder Tafeln, leistet „technischen Support“ bei Veranstaltungen und bietet ein „Gebäude-Leitsystem“ feil, „das nach Kundenwunsch angepasst und optimiert wird“. Die Neuntklässler haben einen Betriebsrat gewählt, und der betreuende Lehrer fungiert als „Unternehmensberater, der aber mehr oder weniger nicht viel zu sagen hat“.

„Was erzähle ich Ihnen jetzt, damit Sie mich nicht für einen alten, arroganten Sack halten“, umschmeichelte Hattig die jungen Leute – nicht ohne diese mehrfach darauf hinzuweisen, dass er selbst „mit 36 Jahren Vorstand gewesen“ sei. Gejammert werde genug in Deutschland, ein Unternehmer jedoch habe „fröhlich“ zu sein, dürfe nicht alles so ernst nehmen. Vorraussetzungen für diesen „Lustgewinn“ sei jedoch Selbstdisziplin und der Mut, sich nicht in das „Prokrustesbett des öffentlichen Dienstes“ zu legen. Die Politik schließlich müsse dafür sorgen, dass Unternehmer in einen Standort wie Bremen vertrauten: „Die möchten nicht von morgens bis abends wegen diesen verdammten Politikern Magenkrämpfe bekommen.“

Es ist wohl davon auszugehen, dass Hattig seine Staatsrätin Sibylle Winther (CDU) nicht zu dieser Polit-Kaste zählt. Ihr oblag es am Nachmittag, die Gründungstage ganz offiziell zu eröffnen. „Existenzgründungen sind ein entscheidender Treibstoff für Innovation und die Zukunft der Wirtschaft“, metapherte die Dame wild drauflos. Die Anzahl der Gründungen einerseits und die der Liquidationen auf der anderen Seite zeigten, „dass marktwirtschaftliche Prozesse in Deutschland noch funktionieren“. 2001 habe Bremen einen „Gründungsüberschuss von 300“ vermelden können, und auch für 2002 rechne sie mit einem „Positivsaldo“ – Zahlen konnte oder wollte Frau Winther noch keine nennen. Dafür wusste die Staatsrätin etwas anderes ganz genau: Obwohl allen klar sei, welche Rahmenbedingungen „der Staat“ verändern müsse, „springt die rot-grüne Bundesregierung nach wie vor zu kurz.“

Fröhlich überließ Winter die Bühne schließlich Marcus Riecke von „Ebay Deutschland“, der schamlos für „den größten Marktplatz Deutschlands“ warb und erläuterte, wie man als Existenzgründer über die „Ebay-Community“ zu einem „Powerseller“ emporschnellen kann. Gebühr und Provision, die dabei für sein eigenes Unternehmen abfallen, seien dagegen Peanuts, sagte Riecke. Denn: „Bei Ebay realisieren Sie höchste Drehgeschwindigkeiten und Abverkaufsraten.“ Markus Jox

Die Gründungstage dauern am Samstag an – von 11 Uhr bis 15 Uhr in Messehalle 4.1