Warum nicht Schwarz-Grün?

Vor allem in der Finanzpolitik tut der Wechsel not, findet der Jurist Erich Röper, der für die CDU im Beirat Schwachhausen sitzt. Allerdings tendierten die Bremer weiter Richtung Große Koalition

Der Konsens der Regierenden lässt Demokratie verblassen

taz ■ Bürgerschaftswahl und Senatsbildung bestimmen derzeit die politische Richtung und die demokratischen Strukturen Bremens. Dabei müssen die Parteien entscheiden, ob sie eine „Sanierungspolitik“ fortsetzen, die Bremen am Ende des Sanierungszeitraums 2005 höhere Pro-Kopf-Schulden bescheren dürfte als Berlin. Sie müssen sich auch fragen, ob sie die politische Streitkultur Bremens weiter austrocknen lassen wollen.

Bremen dürfte 2005 immer noch weit vom Ziel des verfassungskonformen Haushalts entfernt sein. Die Zahlen, die derzeit vorliegen, lassen vom Kassensturz nach der Wahl Böses ahnen. Gefragt ist also ein Wechsel: Weg von Großbauprojekten hin zur letzten Überlebenschance des Zwei-Städte-Staats. Eine neue Finanzpolitik müsste primär die Förderung bestehender Stärken und den Schuldenabbau zum Ziel haben. Zum Wechsel müsste weiter ein konstruktives Verhalten im Bundesrat gehören. 1999 gaben nicht die reichen Südländer die zweite Tranche Sanierungshilfen, dafür sorgte Finanzminister Lafontaine (SPD). Oder ist eine neue Verfassungsklage mit Berlin das Licht am Ende des Tunnels?

Laut Forschungsgruppe Wahlen glauben 62,1 Prozent der Bremer an den Aufbruch aus desolater SPD- oder Ampelzeit. Zudem nennt eine Mehrheit das Senatshandeln „eher gut“, obwohl der Regierenden-Konsens Demokratie verblassen lässt.

Widerstand von Bürgerinitiativen ist der übergroßen Koalition so relevant wie Berlins Widerspruch gegen den Irak-Krieg für die USA. Den Elternwunsch nach Gesamtschulen meiert die CDU ab wie einst die SPD den nach Gymnasien. Werden öffentliche Aufgaben einer der (zu) vielen Eigengesellschaften übertragen, versagen sie sich dem Dialog, Bauvorhaben behandeln sie als „geheime Kommandosache“.

Und trotzdem entspricht die große Koalition dem politikfernen Harmoniebedürfnis von 58,6 Prozent, denen politisch-parlamentarische Auseinandersetzung „Politspektakel“ und deren Symbol der alle – sogar Zech – umarmende Bürgermeister ist.

Demokratisches Bewusstsein und Engagement aber bleiben auf der Strecke. Kritik wird abgestraft – oder nicht inhaltlich beantwortet. Dem langjährigen Vorsitzenden Neumann – einzig wirklicher CDU-Profi – sollte nach und nach das Heft aus der Hand genommen werden.

Diskussionsgewohnter beginnt die SPD den Diskurs, zaghaft kündigt sich ein Politikwechsel an. Nicht mehr jeder Ausgabenvorschlag aus der Haller-Kollekte wird abgenickt, Städtebau und Verkehrspolitik sollen Bremens Bevölkerungsverlust trotzen. Die Kultur erhält trotz punktueller Konflikte auch personell mehr SPD-Stellenwert; den CDU-Kultursenator – ein Seiteneinsteiger ohne Hausmacht – mobben derweil Rathaus und Kollegen (weg?), denen bunte Folien der zu Lasten des Kulturressorts aufgeblasenen KMB und ihres Theatertöters mehr dünken als die Arbeit der Kultureinrichtungen für die Kulturhauptstadt Bremen 2010.

Das Wahlergebnis wird vielfältige Koalitionen erlauben: im bundespolitischen Tief auch der Kompetenzzuweisung sind schon 39 bis 42 Prozent der Befragten für die SPD (1999: 42,5), für die CDU im Wahlhoch 35 bis 38 (1999: 37), Grüne 12 bis 15 (9), FDP klar unter 5. Schnittmengen aber gibt es inhaltlich nicht nur links von der CDU und (noch) nicht personell, unbeschadet SPD-Problemen mit den Grünen in der Hafenpolitik (UB-Ost-Chef Grotheer) und tief greifender Meinungsverschiedenheiten in der Bildungspolitik zur CDU.

Warum sollte da Kölner Schwarz-Grün nicht wiederholbar sein? Allerdings verlangt das bei der Weser-CDU einen Paradigmen-Wechsel, um politisch kompatibel zu sein: im Umgang mit sich und anderen, inhaltlich in der Wirtschafts- und Finanz-, der Sozial- und Bildungspolitik statt der Schulrolle rückwärts ins 19. Jahrhundert und neoliberalem Sozialabbau. Der Vorrat an Gemeinsamkeiten kleiner Koalitionen kann den der großen übertreffen. Die CDU hat mit den Schlüsselressorts politisch noch Spielraum, einige Funktionsträger haben politische Wendigkeit. Der SPD (Scherf) könnte politikfernes politisches Harmoniebedürfnis in der Bevölkerung aber mehr zusagen. Grüne, vielleicht auch FDP, müssen entscheiden, ob sie als klientelistische Mehrheitsbeschaffer einer der großen Parteien die bisherige Finanz- und Wirtschaftspolitik fortsetzen oder mit inhaltlicher Alternative das Land nach einer 180-Grad-Drehung auf einen saarländischen Sanierungskurs bringen.

Die FDP wird den nötigen Wechsel kaum bewirken (können) – auch wenn Alt-Senator Jäger sich als ein Initiator des Space Parks nicht mit dem großkoalitionären Flop identifizieren lassen will. Aber auch die Grünen müssen sanierungspolitische Ehrlichkeit zurückgewinnen. Sie sind aufgerufen zum „Rien ne va plus“, auch wenn es die Zocker ärgert. Tun sie es nicht, werden auch sie zu Glückspielsüchtigen. Die sanierungshilfenfreie Zeit ab 2005 wird fürchterlich für die Menschen in Bremen und Bremerhaven. Wie heißt es in der Kulturhauptstadt Graz 2003: Eine Kommune ist so entwicklungsfähig, wie die Phantasie ihrer Verwalter reicht! Erich Röper