Ausbruch aus der Ruhe?

Die kleine, aber rührige Bremerhavener Kunsthalle eröffnet heute eine Andy Warhol-Schau. Damit sollen erstmals gewisse Publikumsmengen das Haus betreten

Die Bremerhavener scheinen das, was in der Kunsthalle geschieht, nicht entdekken zu wollen

Seit Tagen wird an der Fassade des alten Stadtbades in Bremerhaven Großes angekündigt. Und zwar nicht dessen bevorstehender Abriss, sondern, dass Andy Warhol in der Kunsthalle gegenüber ausgestellt werden wird.

Porträtzeichnungen und Polaroids des 1987 verstorbenen Amerikaners werden ab Samstag zu sehen sein. Dazu zehn Marilyn-Porträts, die ähnlich bekannt sind, wie Campbell’s Tomatensuppendose. Die Polaroids waren Hilfsmittel auf dem Weg zu Warhols Porträtzeichnungen. Nach ihnen zeichnete er die überlebensgroßen Porträts, die mit wenigen Linien und Strichen auskommen: Muhammad Ali, Jacques Bellini, Joseph Beuys, Truman Capote, Jimmy Carter, Keith Haring, Alfred Hitchcock oder Philippe de Rothschild. „Das ist eine Ausstellung, die für den Bremerhavener Kunstverein normalerweise nicht zu realisieren ist“, sagt dessen Vorsitzender Jürgen Wesseler. Sein Sohn Moritz war es, der eine Warhol-Ausstellung mit diesen Arbeiten in der Jablonka-Galerie in Köln sah und seinen Vater darauf stieß. Der verhandelte mit den Kölnern und der „Andy Warhol-Foundation for Visual Arts“ in New York, um den Pop Art-Künstler nach Bremerhaven zu holen. Viele der gezeigten Arbeiten werden nach der Ausstellung aus Deutschland ausgeflogen und zurück in die Vereinigten Staaten gebracht werden.

Der Bremerhavener Kunstverein hat in der Kunstszene einen exzellenten Ruf. Wesseler entdeckte schon häufiger Künstler und stellte sie aus, die erst wesentlich später groß und bedeutend wurden – unter ihnen Andreas Slominski, Gregor Schneider und Manfred Pernice. Große und überregionale Kunstmagazine würdigen die Arbeit des kleinen Bremerhavener Vereins, der im operativen Bereich nur aus dem Vorsitzenden und einem Mitarbeiter auf 25-Stunden-Basis besteht.

Dennoch ist die Kunsthalle kein Publikumsrenner – richtig voll wird es dort nie. Die Bremerhavener scheinen das, was dort geschieht, nicht entdecken zu wollen. „Mit Warhol hängen wir die Latte jetzt natürlich hoch“, so Wesseler – auch wenn es sich um eine sehr spezielle Warhol-Ausstellung handelt, keineswegs eine das Lebenswerk würdigende Retrospektive. Der Kunstverein erwartet jetzt einen immensen Besucheransturm.

Und was geschieht nach dem 4. Mai, wenn die Bilder abgehängt werden? Wesseler: „Um die Qualität der nachfolgenden Ausstellungen muss ich mir keine Gedanken machen.“ Trotzdem werde das Publikumspendel wohl zurück zur Mitte schwingen, und die Kunsthalle wird wieder „ruhige und distanzierte“ Ausstellungen machen.

Jan-Philipp Hein

Andy Warhol: Porträtzeichnungen und Polaroids. Vom 30. März bis 4. Mai in der Kunsthalle Bremerhaven, An der Karlsburg 4. Die Vernissage findet am Samstag um 18 Uhr statt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr Sonnabend und Sonntag 11 bis 16 Uhr (Eintritt: fünf Euro, ermäßigt zwei)