Gebt allen eine Karte!

Prima, super, toll: Die „Entdecker-Card“ erlaubt freien Eintritt in 120 Einrichtungen des Nordwestens und macht die Wege dorthin zur gratis gewährten Ökotour. Scharfe Rechner können für 700 Euro Kunst gucken

„Bremen ist eine wunderschöne Stadt. Das weiß jeder. Aber noch nicht genügend wissen das.“

Gut gelaunt und gewohnt antithetisch stimmt Wirtschaftssenator Josef Hattig auf die bevorstehende Tourismus-Saison ein. Bremen und der Nordwesten setzen dieses Jahr verstärkt auf Kulturtourismus: Ab Dienstag ist die „Entdeckercard“ gültig, mit der man pauschal in sämtlichen Museen der Region stöbern kann.

Das Modell: Für 39 Euro (24 für Sechs- bis 15-Jährige) tourt der Kunst- und Erlebnishungrige drei Tage lang durch die Region, wobei er sämtliche Busse, Bahnen und Schiffe zwischen Rotenburg und Emden umsonst nutzen kann. 120 Einrichtungen haben sich dafür zusammen geschlossen, darunter sämtliche Bremer Museen, Anbieter von Wattwanderungen, Hafenrundfahrten, Torfkahntouren, die Fähren nach Borkum und Helgoland, die Wilhelmhavener „Walwelten“ und so weiter und so weiter. Peter Siemering von der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) behauptet stolz: „Wie haben sie alle.“

Scharfen Rechnern sei gesagt: Dem Kartenpreis stehen in der Tat über 700 Euro an Eintrittsgeldern gegenüber. Und wenn man sämtliche ÖPNV-Tarife zwischen Osnabrück und Cuxhaven draufrechnen würde, ließen sich an einem Wochenende ganze Vermögen ansparen. Schon bei der Nutzung „von zwei, drei Angeboten“ lohne sich der Kauf der Karte, verspricht Siemering. Die 4.000 Nutzer der nun abgeschlossenen Pilotphase besuchten im Schnitt drei bis vier Einrichtungen – beliebtestes Ziel war dabei das Bremer Universum.

Handelt es sich also um einen bremenzentrierten Marketing-Geck? Solche Bedenken zerstreut Siemering mit dem Hinweis, dass weniger als zehn Prozent der Karten in Bremen selbst verkauft worden seien.

Um die „Entdecker“-Idee (für die der Wirtschaftssenator 500.000 Euro zuschoss) wirtschaftlich zu machen, müssen sich die 15.000 Nutzungen der Pilotphase verdoppeln. Vermutlich kein Problem, da das Kartenimperium inzwischen auch ins Ostfriesische (Aurich, Jever, Wiesmoor) erweitert wurde. Zahlloser Gespräche und mühseliger Kleinarbeit habe es bedurft, um das große Tourismusbündnis zu schmieden, erzählt Siemering – immerhin sind 33 Verkehrsunternehmen (inklusive der Deutschen Bahn) beteiligt. Ähnliches gibt es bisher nur am Bodensee und ihm Ruhrgebiet.

Die Vorteile für die einzelnen Einrichtungen liegen auf der Hand: Wann sonst hätte ein Heimatmuseum Chancen auf deutschlandweite Vermarktung? Und die notwendigen Investitionen beschränken sich auf 300 Euro für ein Karten-Lesegerät. Sogar die Umwelt scheint zu profitieren: Nur 3,5 Prozent der bisherigen Probanden hatten den PKW auf ihrer Entdeckertour bevorzugt. Ohne All-Inclusive-Angebot liegt deren Anteil gewöhnlich bei 80 Prozent.

Möglich wird das Ganze durch einen kleinen Mikroprozessor: Man kann den auf der eigenen Geldkarte entsprechend aufladen lassen oder die eigens designte „Entdeckercard“ erwerben. So ist auch der Beginn des 72-stündigen Erlebnis-Countdowns frei wählbar.

Paradiesartige Zustände möcht man meinen, gerade angesichts der reaktionären Flexibilitätstötungstarife der Deutschen Bahn. Das Beste aber ist: Die Grenzen des kulturellen Interrailings sind noch lange nicht erreicht. Bremen und Niedersachsen verfügen zusammen über 624 Museen und Sammlungen, in denen sich jährlich 95 Millionen Menschen tummeln. Gebt allen eine Karte!

Henning Bleyl

Die (übertragbare) Entdeckercard ist als Saisonkarte bis zum 28.12. verfügbar. Der Verkauf erfolgt über die BSAG, die BTZ und alle beteiligten Einrichtungen. Dort ist auch ein 168-seitiger „Reiseplaner“ (drei Euro) erhätlich. Weitere Informationen: ☎ (01805) 10 10 30 (Minute 12 Cent) und im Netz unter www.entdeckercard.de.