Why don‘t we do it in the road?

Hinein in die Verschwulung der Welt: In „The Raspberry Reich“ (Panorama) von Bruce LaBruce trifft RAF-Schwank auf schwule Intifada, Schwänze werden zu Schwertern und – frei nach Schiller – alle Menschen warme Brüder

Wie der Rest der Welt kennt auch Bruce LaBruce zwei Geschlechter, und wie viele ist auch er darüber nicht so recht glücklich. Anders als der Rest der Welt kennt er die beiden Geschlechter jedoch als den heterosexuellen und den homosexuellen Mann. Die große, schöne, radikale Utopie hieße nun nach Bruce LaBruce: Beide Geschlechter verschmelzen zu einem. Damit hätte es mit der Ordnung der schwulen Community endlich ebenso ein Ende wie mit der der heterosexuellen. Frei nach Schiller werden alle Menschen warme Brüder.

Bruce LaBruce Film liegt also eine missionarische Sendung zugrunde. Allerdings weiß man nicht so recht, ob der Radical Chic von Pornografie und RAF-Terrorismus, den der Film für sich reklamiert, diese Sendung, die an einer Stelle als „homosexuelle Intifada“ benannt wird, eher verbergen oder doch eher ausstellen soll. Missionen zeichnet ja immer ein peinliches Moment aus. Ironie, Schock oder Gewalt helfen darüber meist hinweg. All diese Mittel bringt Bruce LaBruce in „Raspberry Reich“ durchaus souverän ins Spiel. Der kanadische Regisseur, der zur New-Queer-Cinema-Bewegung zählt, die Anfang der Neunzigerjahre in Nordamerika entstand, zeigt in seinen billig produzierten Filmen allemal großes filmisches Gespür. Sein Gefühl für Timing und sein Sinn für den Slapstick stechen dabei hervor.

Im großen heterosexuellen Fick am Beginn des Films, ein Standard des schwulen Pornos der Achtziger, vögelt Gudrun fidel-komisch Holger in den Fahrstuhl: Schließlich will sie den Sex endlich aus dem Bett hinaus auf die Straße bringen. Gleichzeitig gibt Bruce LaBruce dieser Szene einen bedrohlichen Beiklang, wenn er auf Che umschneidet, der im Nebenzimmer seine Waffen wenigstens so intensiv bearbeitet wie seinen Schwanz.

Gudrun, von der ehemaligen BE-Schauspielerin Susanne Sachsse bis in die Hardcore-Szenen hinein mit großem Elan verkörpert, ist die Prophetin des „Raspberry Reichs“. Ihr Liebhaber ist keineswegs Holger, sondern die Revolution, denn Heterosexualität ist „Opium für die Massen“. In der Theorie ist sie mit Herbert Marcuse und Wilhelm Reich bewaffnet, in der Praxis mit einer soliden Knarre, was neben ihrem Namen, den sie sich von Gudrun Ensslin geliehen hat, wohl das Moment ist, das sie und die Mitglieder ihrer Gang mit der von Baader und Meinhof am direktesten verbindet.

Sonst ist die Verbindung eher lose, ein frivoles Spiel, das den Plot hergibt, in dem Patrick, der Sohn eines reichen Bankiers, entführt wird. Die Entführung wird von Clyde, einem Mitglied von Gudruns Bande, durchkreuzt. Er setzt sich mit dem Opfer, dessen Liebhaber er im Laufe der vorangegangenen Observation wurde, aus dem Raspberry Reich ab.

Dem trashigen Handlungsgerüst, das reichlich Raum für Hardcore-Szenen bietet, zieht LaBruce stützend immer wieder attraktiv gestaltete Textinserts ein, die im Stil von Agitpop den Agitprop bedienen. Damit aber kippt das bewusst alberne Spiel mit Terrorismushysterie und Political Correctness dann doch in Botschaft und Pathos, wobei der unglücklich gewählte Begriff der Intifada und der Allah preisende Muslim der ersten Einstellung ein politisches Bewusstsein zeigen, das in seiner Undifferenziertheit nicht akzeptabel ist.

BRIGITTE WERNEBURG

Heute, 22.30 Uhr Cinemaxx 7; morgen um 15 Uhr, CineStar 3