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Archiv-Artikel

Splitternde Scheiben am Stadion

Deutschland trainiert für Olympia (Teil 3): In der Vorauswahl landete Bewerber Frankfurt nur auf Platz drei, doch Lokalpolitiker ignorieren das Ranking hartnäckig und versuchen mit dem multikulturellen Flair der hessischen Metropole zu punkten

aus FrankfurtKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Acht Tage noch. Dann nominiert das Nationale Olympische Komitee (NOK) in München den deutschen Bewerber für die Spiele 2012. Die Wahrscheinlichkeit, dass danach Frankfurt feiert, ist nicht allzu hoch. Schließlich interessieren sich dort viel weniger Menschen für „OlympJA“ – so der Slogan der Kampagne – als in allen anderen Städten, die sich beworben haben.

Von Olympia am Main halten rund 40 Prozent wenig, und einige machten auch schon militant Druck: Scheiben gingen am Sitz des Organisationskomitees am Waldstadion zu Bruch, antiolympische Parolen wurden gesprüht. Dies, so schimpften die Befürworter um den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (beide CDU), sei wohl auch ein Grund dafür gewesen, dass die Stadt bei der Vorausscheidung nur den dritten Platz belegte – hinter Hamburg und Leipzig.

Die seriösen Kritiker glauben indes, dass die kaum olympiareifen Leistungen der Stadt Grund für das NOK-Votum gewesen seien. Keine andere deutsche Großstadt hat schließlich so einen Schuldenberg aufgetürmt. Aktuelles Haushaltsdefizit: 370 Millionen Euro. Die Kosten für Olympia: geschätzte vier bis fünf Milliarden Euro. Nirgendwo sonst auf der Welt bricht zudem schon bei harmlosen Buch- oder Automobilmessen der Verkehr auch noch in einem Ring von 50 Kilometern um die City so gnadenlos und mit größter Regelmäßigkeit zusammen wie hier – übrigens immer zeitgleich mit dem Kollaps des Öffentlichen Personennahverkehrs.

In keiner anderen Stadt, die sich um die Ausrichtung der olympischen Spiele bewirbt, gebe es zudem langweiligere Politiker, heißt es. Kein Mensch kenne mehr ihre Namen, außer vielleicht den der Bürgermeisterin. Und so gut wie kein Mensch wisse mehr genau, wer da oben auf dem Römerberg eigentlich was mache und warum. Auch das sei in das Ranking eingeflossen, das von Oberbürgermeisterin Petra Roth aber hartnäckig ignoriert wird. Für die Christdemokratin war die Vorentscheidung „kein Ranking“. Die Stadt habe noch „alle Chancen, den Zuschlag zu bekommen“. Im Klartext heißt das: die Bundesligatabelle ist auch kein Ranking, Cottbus kann noch Meister werden.

Noch klammern sich die Politiker hier an das Prinzip Hoffnung, vor allem Roth. Die CDU-Frau, die für ihren Wahlkampf schwarzes Geld aus schwarzen Kassen annahm, will jetzt ausgerechnet die multikulturelle Karte spielen, um Hamburg noch den ersten Rang abzulaufen. Also wird Frankfurt als die Weltstadt mit 140 Nationalitäten vorgestellt. Die sollen am Tag der Abstimmung mit den Fahnen ihrer Länder zum Römerberg ziehen und das Olympische Komitee nachhaltig beeindrucken. Das ist neu. Denn über Jahre hinweg bekämpfte die Frankfurter CDU das Amt für multikulturelle Angelegenheiten und den dafür zuständigen ehrenamtlichen Dezernenten Daniel Cohn-Bendit gleich mit. Mit seiner rekordverdächtigen ausländerfeindlichen Kampagne gewann Koch 1999 überraschend die Landtagswahlen.

Der Bürgergesellschaft für „OlympJA“ jedenfalls, einem Zusammenschluss von Honoratioren, gehört nicht ein einziger Ausländer an und auch kein Großbänker. Die haben aktuell andere Sorgen.

Darüber hinaus sagen die Olympiabotschafter der Stadt und der Region auch nicht immer das, was die Organisatoren der Kampagne von ihnen erwarten. Die Sprinterin Heike Schmidt-Hustede etwa, die 1968 in Mexiko mit der Staffel die Bronzemedaille gewann, äußerte sich, befragt nach den Chancen von Frankfurt, sibyllinisch: „Man kann erst viel konkreter werden, wenn die Sache klar ist.“

Ganz klar für Frankfurt sprach sich dagegen die Hockeyfrontfrau des RK Rüsselsheim, Denise Klecker (31), dreifache Olympiateilnehmerin und Europameisterin aus. Schließlich habe die deutsche Geschichte einst mit der Kaiserkrönung in Frankfurt begonnen, sagte sie, das sollte man doch nicht übersehen. Ein treffliches Argument.