: Der Mundschenk der Partei
Der Bundeskanzler konnte kaum einen besseren Generalsekretär als Klaus Uwe Benneter finden, um seine Politik der SPD schmackhaft zu machen
VON DIETER RULFF
Als Olaf Scholz auf dem Bochumer Parteitag der SPD im November mit 52,6 Prozent der Stimmen für seine Arbeit abgestraft wurde, war klar, dass damit seine Laufbahn als Generalsekretär ihren Zenit überschritten hatte. Noch schlechter als Scholz schnitt damals der Berliner Delegierte Klaus Uwe Benneter ab. Er schaffte es selbst im zweiten Durchgang nicht, in den Vorstand gewählt zu werden. Nimmt man dieses Votum als Ausdruck politischer Wertschätzung der Partei, so muss es etwas verblüffen, dass nun ausgerechnet Benneter auf dem Stuhl von Olaf Scholz Platz nehmen wird. Benneter (56) sitzt erst seit knapp zwei Jahren im Bundestag und hat Bekanntheit allenfalls durch seine geschickte Leitung des „Lügen“-Untersuchungsausschusses erlangt. Schaden ist seiner Partei aus dessen Recherchen nicht erwachsen.
Doch dürfte das alleine kaum der Grund gewesen sein, der Franz Müntefering bewogen hat, ausgerechnet ihn als Generalsekretär vorzuschlagen. Erhellender ist da das Urteil eines prominenten Weggefährten Benneters. Gerhard Schröder sagte einmal über die gemeinsamen Juso-Jahre mit dem Duzfreund: „Der Benni war wie ich. Für Theorie interessierte er sich wenig. Der machte Politik aus dem Bauch heraus.“ Das will man zunächst kaum glauben, ist doch Benneters politische Karriere untrennbar mit einer Theorie, der vom Staatsmonopolistischen Kapitalismus verbunden. Sie verschaffte ihm Mitte der Siebzigerjahre bundesweite Berühmtheit.
Wer sich vor Augen führt, wie der damals knapp dreißigjährige Benneter die Konzentration der wichtigsten Produktionsmittel in den Händen der großen Monopole und deren enge Verflechtung mit dem bürgerlichen Staatsapparat geißelt, wie er ebendiesen Staat anklagt, er diene nur dazu, die politischen und ökonomischen Interessen der Monopole wirksam durchzusetzen, der versteht, dass der sozialdemokratische Vertreter dieses Staatsapparates Helmut Schmidt den jungen Genossen unmöglich auf dem Posten des Juso-Vorsitzenden belassen konnte, zumal dieser für eine Zusammenarbeit mit ebenjenen Kommunisten plädierte, deren Einfluss man durch Berufsverbote gerade einzugrenzen trachtete. Benneter musste 1977 nach wenigen Monaten seinen Vorsitzendenstuhl räumen und flog aus der Partei. Sein Freund Schröder trat seine Nachfolge an. Er war ein „Antirevisionist“, also nicht so dogmatisch links wie Benneters Flügel, aber auch nicht so pragmatisch reformistisch wie die Reformer um die Benneter-Vorgängerin Heidi Wieczorek-Zeul. Immerhin ging Schröders Loyalität zu Benneter so weit, dass er dem Bundesgeschäftsführer Egon Bahr die Rücknahme seiner Kandidatur anbot, wenn die Partei ihre Disziplinarmaßnahmen wieder aufheben würde. Bahr lehnte ab und Schröders Karriere begann.
Aus dieser Zeit hat sich das Bild von „Benni Bürgerschreck“ gehalten. Der Schrecken war allerdings schon 1983 so weit verblasst, dass ihn die SPD wieder in ihre Reihen aufnahm. Seine Ansichten waren gemäßigter und der Bürgerschreck bürgerlicher geworden. Er lebte weit weg vom Proletariat im feinen Berliner Bezirk Zehlendorf, und mit Eigentumsfragen befasste er sich als Notar mehr beruflich als politisch. Bert Brecht hätte ihn zweifellos zu den bespöttelten Salonkommunisten gerechnet. Benneter blieb in der Berliner SPD aktiv. Er war zwar ein Linker, aber teilte nicht die diesem Flügel eigene Verbissenheit.
Wenn ihn etwas für sein neues Amt prädestiniert, dann ist das zum einen die Freundschaft mit Schröder und zum anderen seine Einbindung in das personelle Netz, das in den Juso-Jahren geknüpft wurde und die Partei noch heute zusammenhält. Vor allem aber ist es seine Haltung zur großen Koalition, die in den Neunzigerjahren in Berlin regierte. Dieses Bündnis mit der CDU Eberhard Diepgens war in der Berliner SPD so wenig beliebt wie in der gesamten Partei heute Schröders Reformkurs. Die Genossen litten, die Wähler liefen weg. Während sich die Führungsriege mit der vermeintlichen Notwendigkeit arrangierte, war Benneter eine der prominentesten Stimmen des innerparteilichen Unmutes, ohne dabei allerdings die Grenzen des Machbaren aus den Augen zu verlieren. Er sprach sich nach der Berliner Wahl 1995 gegen eine Fortführung der großen Koalition aus, exponierte sich aber auch nicht zugunsten eines theoretisch möglichen rot-rot-grünen Bündnisses. Die Partei hätte es nicht geduldet, und im politischen Abseits stehen wollte der frühere Stamokap-Juso nie wieder. Zu Schröders Agenda 2010 sieht Benneter keine Alternative, der hilflos oppositionellen Pose der Linken um Ottmar Schreiner kann er wenig abgewinnen. Wenn schon Schmalhans Küchenmeister ist, so konnte Schröder wohl kaum einen Besseren finden, es der Partei mundgerecht zu servieren.