1.200 Jusos stoppen Schäuble

Nach Sachsen rebellieren auch andere SPD-regierte Länder gegen die Onlinedurchsuchung. Das BKA-Gesetz dürfte im Vermittlungsausschuss landen

VON VEIT MEDICK
UND DANIEL SCHULZ

Als das BKA-Gesetz kippte, gab es auf dem Parteitag der Sachsen-SPD spontanen Jubel. Gerade hatten die Delegierten einen Antrag der Jusos gegen verschärfte Sicherheitsgesetze mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Was das bedeutete, wussten die rund 130 Sozialdemokraten genau: Ohne die SPD-Minister wird die Landesregierung im Bundesrat dem BKA-Gesetz nicht zustimmen können. Und ohne Sachsen hat das Vorhaben von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiederum keine Mehrheit in der Länderkammer. „Stasi 2.0 wird es mit uns einfach nicht geben“, sagte Holger Mann, Chef der rund 1.200 sächsischen Jusos, der taz (siehe unten). Die jungen SPDler wollen vor allem eines: die Onlinedurchsuchung privater Computer aus dem Gesetz streichen.

„Solche Beschlüsse muss man akzeptieren“, sagte Sachsens SPD-Chef und Wirtschaftsminister, Thomas Jurk, am Montag der taz. „Sachsen wird sich am 28. November im Bundesrat enthalten.“ Danach entdeckte die SPD auch in anderen Landesregierungen ihre Bedenken gegen die neuen Befugnisse für das Bundeskriminalamt. Am Montag wagten sich Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt aus der Deckung. „Es gibt nach wie vor zentrale Punkte im Gesetzentwurf, die verbessert werden müssen“, sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Lothar Hay (SPD). Er habe daher am Montag bei einer Probeabstimmung im Bundesrat die Anrufung eines Vermittlungsausschusses empfohlen. Sachsen-Anhalts Innenministerium enthielt sich bei der Abstimmung. „Wir brauchen mehr Zeit“, sagte ein Sprecher.

Die Chancen für das BKA-Gesetz im Bundesrat tendieren damit gegen null. Mindestens 35 Stimmen würde die Bundesregierung benötigen, um das Vorhaben durchzupeitschen. Auf die Stimmen von Bundesländern, in denen FDP, Grüne und Linke an der Regierung beteiligt sind, wird die große Koalition aber nicht zählen können. Deswegen müssten alle Länder mitmachen, in denen SPD und CDU allein regieren oder gemeinsam koalieren. Das ist nun passé.

Für Schäuble, aber auch für die Innenpolitiker der SPD im Bundestag, ist das eine deftige und völlig unerwartete Schlappe. Beide Seiten bemühten sich am Montag, ihre Enttäuschung hinter moderaten Formulierungen zu verbergen. Einziges Indiz für die tatsächliche Gemütslage aufseiten der Regierungsparteien war die Reaktion von Hans-Peter Uhl (CSU). Der Innenpolitiker der Union war außer sich. „Mit diesem linken Gerülpse aus Sachsen lässt sich doch nichts anfangen“, schimpfte Uhl über die Parteitagsentscheidung. „Da ist ein Klischee auf das andere gestapelt worden: Wir sind gut und wir sind frei. Damit lässt sich doch nichts anfangen. Mit den Verfassern solcher Pamphlete kann man nicht reden“, sagte er der taz.

Das muss seine Partei aber wohl doch. Denn es läuft derzeit darauf hinaus, dass sich der Vermittlungsausschuss mit dem BKA-Gesetz befassen wird. In diesem Gremium sitzen je 16 Vertreter aus Bundestag und Ländern. In dieser Woche treffen sich zwar noch einmal die deutschen Innenminister und könnten strittige Punkte klären. Aber selbst die Bundesregierung glaubt daran nicht mehr. Man setze zwar noch immer auf ein Zustandekommen des BKA-Gesetzes in seiner bisherigen Form, erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag. Sollte es aber im Bundesrat keine Entscheidung geben, werde „der Vermittlungsausschuss die nächste Verfahrensstufe sein“.

Dort könnte es noch einmal richtig zur Sache gehen. „Die Onlinedurchsuchung ist nicht verhandelbar. Sie muss im BKA-Gesetz bleiben“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. „Schließlich haben wir über ein halbes Jahr auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gewartet, um diese Maßnahme in das Gesetz zu bekommen.“ Auch sein Unionskollege Uhl sieht in dieser Frage keinerlei Verhandlungsspielraum: „Die Onlinedurchsuchung bleibt im Gesetz, alles andere ist großer Quatsch.“

Wird tatsächlich ein Ausschuss eingesetzt, dürften die Mitglieder wohl vor allem an Detailfragen feilen. Sachsens SPD-Chef Thomas Jurk meldet besonders bei drei Punkten Bedenken an: Ihm stößt auf, dass bestimmte Berufsgruppen wie Journalisten und Ärzte nicht vor Überwachung geschützt sind. „Außerdem müssen wir noch einmal darüber sprechen, ob die Zuständigkeiten zwischen Bundeskriminalamt und Landespolizeien genügend klar abgegrenzt sind“, sagte Jurk der taz. Darüber hinaus solle der Vermittlungsausschuss sich noch einmal mit der sogenannten Eilentscheidung beschäftigten. „Wenn eine Onlinedurchsuchung eines Computers angeordnet wird, sollte in jedem Fall ein Richter zustimmen.“ Laut dem bisherigen Gesetz darf der BKA-Chef diese Durchsuchung in Eilfällen ohne richterliches Plazet anordnen.