: Drägers nützliche Zwerge
Studierendenvertreter Olaf Walther lehnt die geplante Hochschulreform ab. Ein quotenreguliertes Master-Studium würde die Konkurrenz unter Studierenden verschärfen, mehr Arbeitsplätze bringe die Reform schon gar nicht
Interview: KAIJA KUTTER
taz: Sie sind langjähriger Studentenvertreter im Akademischen Senat und erklärter Gegner der Dräger-Reform. Warum?
Olaf Walther: Dräger ist kein Reformer. Er ist Funktionär eines rechten Senats und nennt sich selbst „Wissenschaftsmanager“. Alle geplanten Maßnahmen zielen auf die gesteigerte ökonomische Verwertung von Menschen und Wissenschaft. Die vulgäre Kommerzialisierung marschiert auf Samtpfoten.
Sie und andere Hochschulgruppen sprechen von der Zerschlagung der Universität? Was meinen Sie damit?
Die so genannte Dohnanyi-Kommisssion schlägt unter anderem die Beseitigung sowie Zusammenlegung von Fachbereichen und die Segmentierung der Universität in „Schools“ vor. Der Zusammenhang der Hochschule soll zerstört werden, konkurrierende Wirtschaftseinheiten sollen die wissenschaftliche Kooperation ersetzen.
Dräger kritisiert die hohen Studienabbruchquoten von bis zu 70 Prozent. Ist da ein Reformbedarf nicht offenkundig?
Bessere Ausstattung, mehr Personal, soziale Absicherung der Studierenden, kritischer Gesellschaftsbezug, höhere demokratische Beteiligungsrechte, problemlösungsorientierte Wissenschaften, verbesserte Berufsaussichten – das sind Reformen. Selektion, Konkurrenz, Entwissenschaftlichung und Entdemokratisierung durch dumpfe Ordnungspolitik – zum Beispiel durch die gestuften Abschlüsse – sind Konter-Reformen. Herr Dräger will „nützliche Zwerge“, keine mündigen Menschen.
Viele Studierenden beklagen mangelnde Orientierung. Dräger verspricht ein strukturiertes Studium mit berufsqualifizierendem Abschluss. Könnte dies nicht die richtige Antwort sein?
Non, njet und nein. Dräger will flächendeckend ein gestuftes System von Abschlüssen einführen und den Zugang zum wissenschaftlichen Master-Studium durch eine Quote einschränken. Das würde die Konkurrenz unter den Studierenden verschärfen. Selektion, Dressur und Schmalspurstudium sind keine humane Orientierung für vernünftige Menschen und beseitigen darüber hinaus keineswegs die Massenerwerbslosigkeit.
Aber Studienabbrecher stünden mit Bachelor-Abschluss auf dem Arbeitsmarkt besser da.
Da werden Erwartungen geweckt, die so nicht erfüllbar sind. An den Bedingungen des Arbeitsmarktes würde durch einen Bachelor nichts geändert. Die Anzahl der Taxi fahrenden Akademiker würde sich dadurch nicht verringern.
Wozu sollten junge Menschen ein Studium beginnen?
Aus Freude an Erkenntnis, der positiven Gestaltung der Welt wie der eigenen Person; motiviert zur Kooperation und kultivierter Entwicklung. Man sollte damit beginnen und niemals aufgeben.
Können Sie erklären, warum den Uni-Gremien Ineffizienz und Selbstblockade vorgeworfen wird?
Militär, ökonomische Macht und rechte Politik – in welchem Gewande auch immer – sind strukturiert nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Das gilt in manchen Kreisen als „effizient“. Der Vorwurf der so genannten Selbstblockade wird erhoben, weil Demokratie, Erkenntnis, Kritik und Zweifel und darauf basierende Einigungsprozesse als schädlich angesehen werden für profitable Machtpolitik.
Sie streiten für den Erhalt der demokratischen Massenuniversität. Was verstehen Sie darunter?
Die Qualität der hohen Zahl: an Studierenden, Erkenntnisgewinn, demokratischer Teilhabe, Kooperation, gesellschaftlichem Einfluss und Verbesserung der menschlichen Existenz.
Es heißt, diese hohe Zahl könne nicht gehalten werden, weil der Staat das Geld nicht hat.
Geld ist genug da. Die BRD hat einen Außenhandelsüberschuss von 127 Milliarden Euro. Gewinne und Vermögen müssten nur angemessen besteuert werden. Die Einnahmeseite des Staates muss gestärkt werden, auch durch angemessene Löhne. Auch könnte die Erwerbslosigkeit durch eine Absenkung der Wochenarbeitszeit gesenkt werden. Und bestimmte unsinnige Ausgaben, wie Militär, Großprojekte und Subventionen könnten erheblich gesenkt werden.