Wer heiratet wen?

Senat und Handelskammer wollen sich „verlässliche Partnerschaft“ in Sachen Kulturhauptstadt schwören. Die Folge: eine „besondere Mitentscheidungsfunktion“ der Bremer Wirtschaft

Die Handelskammer wird eine „besondere Beratungs- und Mitentscheidungsfunktion“ in Sachen Kulturhauptstadt haben. Das erkären Senat und Kammer in einem „Letter of Intent“, der der Bremer Wirtschaft eine „enge Anbindung an die maßgeblichen Instanzen auf Seiten des Senats“ zusichert. Dies soll nicht nur für die „innerhalb der Bremer Wirtschaft eingebrachten Projekte“ gelten, sondern für das „Gesamtvorhaben“.

Über die Bremer Marketing Gesellschaft (BMG), die mit der Organisation der Bewerbung beauftragt ist, hatte die Handelskammer auch zuvor schon Einfluss auf den Kulturhauptstadts-Prozess: Ihr Hauptgeschäftsführer sitzt im BMG-Aufsichtsrat. Mit drei weiteren Vertretern stellt die Wirtschaft die Hälfte der Aufsichtsräte, beteiligt sich allerdings nur mit 25 Prozent am ansonsten öffentlich getragenen BMG-Etat. Auch in die offizielle Kulturpolitik ist die Kammer eingebunden: Seit vergangenem Jahr hat sie den Status eines „ständigen Gastes“ in der Kulturdeputation.

Wenn man nicht mitreden könne, sei das Kultur-Engagement gegenüber den eigenen (29.000) Mitgliedern nicht vermittelbar, betont Vizepräses Patrick Wendisch in Bezug auf die jüngste institutionelle Beteiligung. Über Mitspracherechte in künstlerischer Hinsicht sei noch nicht gesprochen worden. Aber man könne sich umgekehrt auch nicht selbst einfach „vor einen einzelnen künstlerischen Karren spannen lassen“.

Geht es jetzt um ein simples „Wer zahlt, bestimmt die Musik“? Geshäftsführer Uwe Nullmeyer, der jüngst die Kulturbörse der Kammer orgamisiert hat, grenzt ein: „Wir werden uns nicht anmaßen, über die Hauptstadtprojekte der Kultureinrichtungen zu entscheiden.“ Die Kammer wolle keineswegs Gutachter spielen. Im Gegenteil: „Wir sehen es so, dass die Kultur ganz vorne stehen muss. Das muss auch die Politik so sehen.“ Und die habe das vorläufige Konzept möglicherweise zu sehr in Richtung Wissenschafts-Hauptstadt akzentuiert.

Dieser Hinweis kommt Befürchtungen aus der Kulturszene entgegen, der Senat werde den Hauptstadtsprozess zu sehr als Wissenschafts- und Technologieförderung instrumentalisieren. Trotzdem wird die privilegierte Stellung der Handelskammer kritisch wahrgenommen. Die Kulturinstitutionen selbst hätten primärer Partner des Senats in Sachen Kulturhauptstadt sein müssen, sagt Katrin Rabus, Sprecherin der Initiative „Anstoß“. Stattdessen sei die Szene zunehmend aus dem Verfahren „ausgegrenzt“. Im Übrigen werde der Beitrag der Handelskammer zur Kulturförderung sehr „überschätzt“.

Senatssprecher Klaus Schlösser hingegen hegt „die begründete Hoffnung“, dass sich die Wirtschaft „mit eigenen Mitteln“ in erheblichem Maß einbringen wird. In Graz (derzeit „Kulturhauptstadt Europas“) seien genau diese Erwartungen nicht erfüllt worden, weil man sich zu spät um die Einbindung der Wirtschaft bemüht habe. Deswegen soll nun also ein Gremium installiert werden, das deren „frühzeitige und verbindliche“ Einbeziehung in die Senatsentscheidungen sicherstellen soll.

Und was sagt der Mann dazu, der als Intendant letztlich für den Erfolg der Hauptstadt-Ambitionen zuständig sein wird? Martin Heller hat als Leiter der Schweizer Expo 2002 das Zusammenspiel von Wirtschaft und Kultur als sehr sensiblen Bereich erfahren. Seine Vorgängerin scheiterte unter anderem an mangelnder wirtschaftlicher Beteiligung – woraufhin sein eigener Amtsantritt von der Kulturszene zunächst kritisch beäugt wurde. Jetzt vertritt er die Überzeugung: „Absichtserklärungen sind erst einmal sekundär. Es kommt immer auf die Offenheit und Lernbereitschaft aller Beteiligen an.“

Gleichwohl macht Heller aus seinem Gestaltungsanspruch keinen Hehl: „Wenn es meine Funktion wäre, als Coach von 15 Gremien nach Bremen zu kommen, hätte ich mich nicht darauf eingelassen.“ Henning Bleyl