Vor der eigenen Tür

500 Neonazis marschieren in Neumünster gegen die Wehrmachtsausstellung. 1300 Polizisten schreiten gegen Linke ein und lösen am Abend ein Rechtsrock-Konzert auf

Wiederholt droht die Polizei den Einsatz von Wasserwerfern an, nur langsam ziehen sich die mehr als 200 Demonstranten zurück. Sie protestieren gegen einen Neonazi-Aufmarsch, mit dem diese gegen die Eröffnung der Wehrmachtsausstellung angehen, die am Sonnabend in Neumünster eröffnet wurde (taz berichtete). Unter dem Motto „Frieden und Wahrhaftigkeit“ haben sich zuvor an die 500 Menschen in der schleswig-holsteinischen Stadt an einer Demonstration beteiligt. Als die etwa 1300 Polizeibeamten einschreiten, weichen die zumeist jugendlichen AntifaschistInnen in die Seitenstraßen aus.

Auf dem Großflecken hält derweil der „Runde Tisch für Toleranz und Demokratie“ eine Veranstaltung ab. „Die Feinde der Freiheit und des Friedens stehen auch vor der eigenen Tür“, sagt dort Landtagspräsident Heinz-Werner Arens (SPD), die Hamburgerin Ester Bejarano, Überlebende des KZ Auschwitz, beklagt, „wie wenig aus der Vergangenheit gelernt wird“.

Derweil sind über 500 Neonazis in der Innenstadt eingetroffen. Doch sie müssen warten. Über zwei Stunden. Denn 60 ihrer Kameraden stoßen mit Antifaschisten zusammen und können nur unter Polizeischutz die Kundgebung erreichen. Immer wieder muss der Neumünsteraner Neonazi-Führer Peter Borchert an die „kameradschaftliche Solidarität“ erinnern, da etliche Neonazis, die aus mehreren Bundesländern sowie Dänemark und Schweden angereist sind, ungeduldig werden. „Die gleichen Verbrecher, die das Deutsche Reich überfielen“, erläutert dafür der Hamburger Neonazi Thomas Wulff den Kameraden, „greifen heute den Irak an“. Und der Bonner Ralf Tegethoff ermutigt sie: „In Deutschlands dunkelster Zeit habt ihr den deutschen Soldaten und der europäischen Freiwilligenarmee die Ehre erwiesen.“ Damit gemeint ist die SS.

Währenddessen nimmt die Polizei vor dem „Aktion Jugendzentrum“ über 75 Personen fest, wobei es zu Verletzten kommt. „Die Personen wollten eine Sperre durchbrechen“, rechtfertigt ein Polizeisprecher.

Nach dem Aufmarsch veranstaltet das Nazizentrum „Club 88“ ein Rechtsrock-Konzert. Als in der angemieteten Lagerhalle „Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen“ gezeigt werden, so der Polizeisprecher, „schreiten die Kollegen ein“. Von den über 400 Konzertbesuchern werden die Personalien aufgenommen. Andreas Speit