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Archiv-Artikel

press-schlag Warum Jürgen Kohler Jürgen Kohler ist – und keineswegs Fußball-Gott

Der Tag, an dem die Lausitz ihr Lachen verlor

Viertel nach fünf sah es für einen kurzen Moment so aus, als sei auch dieses letzte Rätsel ein für allemal gelöst: In diesem Augenblick war Fußballgott 186 Zentimeter groß, knapp 90 Kilo schwer, trug schütteres Haar sowie Brille und babbelte Sätze, die glatt der Lehre Buddhas entsprungen sein könnten. „Nur lachende Menschen sind glückliche Menschen“, hatte Jürgen Kohler jedenfalls vergangene Woche schon gesagt. Dann hat er sich auf die Bank gesetzt und Leverkusen das Lachen zurückgegeben. Erst dem kleinen Oliver Neuville, dann Thomas Hörster, dem knorrigen Trainer, schließlich der ganzen BayArena. Und jetzt sind sie in Leverkusen wieder alle sehr glücklich – und sogar voll guter Hoffnung, darauf nämlich, dass die Sache mit dem Klassenerhalt doch noch klappen könnte. Kam, sah und siegte – so einfach war das für JÜRGEN KOHLER FUSSBALLGOTT.

Andererseits ist man nur gut damit beraten, getrost davon auszugehen, dass die Dinge auch am Samstag, dem 27. in dieser Saison, doch eher mal wieder dem Zufall geschuldet waren als dem Beistand von oben. Wenn Fußballgott aber wirklich seine Finger im Spiel gehabt haben sollte, gäbe es jetzt eine Menge an Gründen, an ihm zu zweifeln. Zugegeben: In Leverkusen sah es tatsächlich so aus, als habe einer Wunder gewirkt. Aber mal in klerikalem Ernst: Würde Fußballgott in all seiner Gerechtigkeit das arme, kleine Hannover wirklich 2:0 führen lassen, um dem Inbegriff des Bösen dann doch noch ein Unentschieden zu schenken? Und würde er zeitgleich den Dortmundern die Beine derart schwächen, dass sie sogar gegen Bremen verlieren und damit die Saison so früh schon und endgültig entscheiden – und das auch noch zugunsten allen Übels?

Vor allem aber: Kann Gott, auch wenn er nur Fußballgott ist, wirklich eine ganze Region links liegen lassen? Kann er ignorieren, dass die Menschen in der Lausitz den Fußball brauchen und die Bundesliga, sie haben doch sonst nicht viel, worauf sie stolz sein und worüber sie sich freuen können?

Wenn Fußballgott sagt: „Nur lachende Menschen sind glückliche Menschen“, wieso gibt er dann Stuttgart in letzter Sekunden einen Elfmeter? Worüber sollen die Menschen in Cottbus denn nun noch lachen? Wie sollen sie glücklich sein? Nein, so viel steht fest: Dass Cottbus nun endgültig abgestiegen ist, kann Fußballgott nicht gewollt haben. Niemals, es wäre zu ungerecht. Was Jürgen Kohler darüber denkt, ist nicht bekannt. Er ist ja auch nicht Fußballgott.

FRANK KETTERER