: Bagdad in der Zange
US-Streitkräfte haben begonnen, die irakische Hauptstadt einzukreisen. Tausende Tote bei Vorstößen in die Stadt
von SVEN HANSEN
US-Panzer sind gestern erneut ins Stadtgebiet von Bagdad vorgestoßen. Wie bereits am Vortag sollten Panzer der 3. Infanteriedivision irakische Stellungen erkunden und demonstrieren, dass Iraks Führung die Hauptstadt nicht mehr vollständig unter Kontrolle hat. Zudem versuchten vorrückende US-Truppen einen Ring um die Stadt zu ziehen. Die 3. Infanteriedivision stieß nach US-Angaben im Westen nach Norden vor, während Marineinfanteristen vom Südosten vorrückten. Die US-Kräfte wollten Bagdad noch gestern einkreisen, sagte ein Kommandeur auf dem etwa 30 Kilometer südwestlich gelegenen Flughafen. Die BBC berichtete von einer Kolonne mit 2.000 US-Fahrzeugen, die sich von Süden näherten.
Bagdads Saddam International Airport war von den US-Truppen demonstrativ in International Airport umbenannt worden, nachdem sie ihn am Freitag nach eigenen Angaben erobert hatten. Gestern behaupteten US-Militärs, 95 Prozent des Flughafens zu kontrollieren. Mindestens 5.000 US-Soldaten sollen dort Stellung bezogen haben.
Noch am Samstagabend hatte Iraks Informationsminister Said al-Sahhaf gesagt, die Republikanischen Garden kontrollierten den Flughafen. „Heute haben wir sie [die US-Truppen] auf dem Flughafen geschlachtet“, sagte al-Sahhaf. Die Fernsehbilder von US-Soldaten im Inneren des Flughafens seien von einer Spezialeinheit in einer Kampfpause gemacht worden, erklärte er. Gestern berichteten Reporter, beim Flughafen werde noch gekämpft. Al-Sahhaf behauptete auch, in al-Tamim südlich von Bagdad seien zwei Apache-Hubschrauber abgeschossen und der Vorstoß der US-Panzer nach Bagdad am Samstag zurückgeschlagen worden.
Etwa 40 US-Panzer waren vom Süden auf einer Schnellstraße fast bis an den Tigris vorgerückt und dann südwestlich zum Flughafen abgebogen. Dabei schossen sie auf alles rechts und links der Straße, was ihnen bedrohlich erschien. An einigen Orten seien die US-Panzer mit Granatwerfern und Flugabwehrgeschützen angegriffen worden, hieß es aus US-Militärkreisen. Bis zu 2.000 Iraker seien getötet worden.
Die US-Truppen verloren nach eigenen Angaben einen Panzer, mehrere wurden beschädigt. Ein US-Soldat wurde getötet, sechs erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Laut einem US-Offizier wird Iraks Armee bei den Kämpfen um Bagdad von Ägyptern, Jordaniern und Syrern unterstützt. Iraks Regierung führte gestern Journalisten zu einem zerstörten US-Panzer und behauptete, darin seien vier US-Soldaten getötet worden.
Die US-Vorstöße nach Bagdad sind eine Demonstration der Stärke und nicht der Beginn des Häuserkampfes, den das US-Militär zu vermeiden sucht. Mit ihren Vorstößen wollen die US-Militärs den Druck auf Iraks Truppen aufrechterhalten und verhindern, dass sie nach dem schnellen US-Vormarsch der letzten Tage neue Abwehrstellungen aufbauen können. Auch sollen Iraks Truppen demoralisiert und die Propaganda des Regimes untergraben werden. Nach Angaben eines CNN-Reporters, der die 3. US-Infanteriedivision begleitet, haben die US-Truppen wegen ihres schnellen Vormarsches und der langen Versorgungslinien aber selbst Nachschubprobleme.
Das US-Militär erhofft sich von den Vorstößen auch Erkenntnisse über die Verteidigungstellungen. Die US-Luftwaffe plane, über Bagdad künftig Bomben mit weniger Sprengkraft und mit Laser- statt Satellitensteuerung einzusetzen, so die Washington Post. Diese seien zielgenauer und gefährdeten weniger die US-Truppen in der Stadt.