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Archiv-Artikel

GIs im Palast der Republik

US-Kampfpanzer sind gestern Morgen in Saddam Husseins Machtzentrale in Bagdad eingedrungen: Pentagon spricht von „Machtdemonstration“ – die richtige Schlacht habe noch nicht begonnen

BAGDAD afp/ap ■ Am frühen Morgen des 19. Kriegstages rollten gestern US-Kampfpanzer auf die riesige Palastanlage im Herzen von Bagdad zu. Nach schweren Artilleriegefechten setzen sich US-Marines am Palast der Republik fest, tief im Machtzentrum von Staatschef Saddam Hussein. Über der zweieinhalb Quadratkilometer großen Anlage am Tigrisufer steigt dichter Qualm auf. Mehrere schwere Explosionen haben den bedeutendsten Palast Saddam Husseins erschüttert. Seit Beginn des Krieges hatten die Verbündeten die Anlage immer wieder bombardiert, gestern drangen die Bodentruppen erstmals auf das Gelände vor.

Westliche Sender zeigen Bilder von GIs, die durch den Palast der Republik schlendern oder es sich im Park am Westufer des Tigris bequem machen. Das von einer blauen und goldenen Kuppel gekrönte Gebäude macht den Eindruck, als wäre es einmal ein prächtiger Wohnsitz gewesen. Aus dem Inneren der Anlage, die auch einen Atombunker und ein Büro Saddam Husseins birgt, ist ein luxuriöses Badezimmer mit vergoldeten Armaturen zu sehen. Fast in jedem Raum gibt es einen Fernseher. Der Goldaufstrich von Möbeln im Louis-XIV.-Stil ist unter dicken Staubschichten verborgen. Brunnen und Schwimmbäder sind trocken.

Während seiner 24-jährigen Herrschaft hat Saddam Hussein Dutzende Paläste im ganzen Land erbauen lassen. Der Neue Palast am Tigrisufer wurde erst vor wenigen Jahren nahe der Zentrale der Baath-Partei errichtet. Die Vereinten Nationen vermuteten, der Staatschef habe in einigen Palästen Massenvernichtungswaffen versteckt. Bei den UN-Inspektionen wurde aber kein Hinweis darauf gefunden. Der Vorstoß ins Herz von Bagdad sei eine Machtdemonstration gewesen, erklärte ein Pentagon-Sprecher. Er habe gezeigt, „dass wir dort hingehen können, wo wir wollen und wann wir wollen. Die entscheidende Schlacht um die irakische Haupstadt sei aber noch überhaupt nicht im Gange.

Im ganzen Regierungsviertel verbreitet sich der Gestank von Rauch und Schwefel. Die Straßen zum Palast sind gespickt mit Barrikaden aus Steinen, Stühlen und Sandsäcken. Nach dem Schock vom Morgen haben sich an allen Kreuzungen rund um das Gelände irakische Kämpfer postiert. Richtige Uniformen haben sie kaum noch, sie tragen Jeans, bunte Jacken oder Leoparden-Drillich, nur manche einen Helm. Einige haben eine Kalaschnikow oder Raketenwerfer geschultert, andere haben hinter ihren schweren Maschinengewehren Stellung bezogen. Ein Sandsturm sowie dichte Rauchschwaden aus brennenden Ölgräben und einem Waffendepot verwischen die Konturen. Autofahrern wird hektisch bedeutet, sofort umzukehren.

Während der Palast der Republik im Zentrum der Gefechte steht, herrscht auf der anderen Seite des Tigris ein Schein von Normalität. Läden haben geöffnet, viele Menschen sitzen in Cafés, Obst und Zigaretten werden am Straßenrand verkauft. Jeder Zivilist jedoch, der über die Brücke am Palast das Ostufer erreichen will, wird von irakischen Militärs zurückgewiesen. Ein Milizionär steht am Fuß der Brücke mit seinem Raketenwerfer.