: Schlagwort statt Konzept
Ausgangsbedingungen gut, PR mäßig: Ein Gespräch mit Willfried Maier, dem kulturpolitischen Sprecher der GAL, über die Frage, warum Kultursenatorin Dana Horáková ihre Joker nicht nutzt
von PETRA SCHELLEN
Ein bisschen verhält sich das Presse-Echo angesichts der hiesigen Kultursenatorinnen-Situation wie die schon von Hölderlin beschriebene exzentrische Bahn: Mal näher, mal ferner steht den Medien das Thema, das in variierender Stärke magnetisierend wirkt, um dann wieder in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Und offiziell ist ja seit Ole von Beusts ernsten Worten alles o.k. zwischen ihm und seiner Senatorin, bei der schwer zu entscheiden ist, ob die Fahrigkeit System hat oder nicht.
Willfried Maier, kulturpolitischer Sprecher der GAL-Fraktion, attestiert ihr daher „ein aus ihrer beruflichen Erfahrung resultierendes Verhaltensmuster: Bei der Bild musste sie täglich neue Sensatiönchen produzieren. Eine Behörde zu führen ist aber etwas ganz anderes: Da reichen Schlagworte wie Aquadome, Ballett- und Seefahrtsmuseum nicht; da sind Konzepte gefragt“.
In erster Linie bescheinigt er der Senatorin ein kommunikatives Problem – gepaart mit mangelnder Fähigkeit, objektiv günstige Bedingungen zu nutzen: „Frau Horáková hat in dreierlei Punkten gegenüber Frau Weiss eine bessere Situation: Der Senat hat ihr – erstmals seit Anfang der 90er Jahre – die Finanzierung der Tarifsteigerung für die Staatstheater bis zu 2,5 Prozent bewilligt. Und sie hat eine Finanzierungszusage für eine neue Musikhalle in der Hafencity bekommen. Doch statt damit Freude zu verbreiten, hat sie die Idee des Aquadomes in die Welt gesetzt. Ein Aquarium in der Hafencity ist ja sehr sinnvoll. Das hatten wir in der letzten Legislaturperiode auch geplant, aber nicht die Kombination von Konzertsaal und Aquarium. Schließlich hat der Senat Frau Horáková die Zusage für einen Neubau für die Hamburger Öffentlichen Bücherhallen am Domplatz gegeben. Das ist mehr, als Frau Weiss erreicht hatte. Die Ausgangsposition ist für die Senatorin also nicht schlecht – nur hat sie damit nichts als schlechte Stimmung in der Kulturszene produziert.“
Ein Fazit, das den Verdacht nahe legt, die Senatorin kenne ihre Joker selbst nicht – und sie missachte zudem die Spielregeln im Umgang mit Künstlern. „Natürlich konnte sie Ingo Metzmacher angesichts der Haushaltslage keine Planungssicherheit für die nächste Legislaturperiode bieten. Sie hätte aber erklären können, dass sie seine Finanzierungsprobleme sieht und helfen will, sie zu lösen“, erklärt Maier.
Vielleicht wollte sie ihn nicht halten, vielleicht markiert Metzmachers Abgang 2005 nach Amsterdam auch den Beginn einer Abwanderungsbewegung; man sorgt sich um den Thalia-Intendanten Ulrich Khuon. Denn letztlich fehlt der Senatorin schlicht Lobbyistenmentalität, wenn sie den Museen unpräzises Wirtschaften unterstellt und das Schauspielhaus hinter Zuschauerzahlen herhecheln lässt. „Es ist zu befürchten, dass die Senatorin weitere Projekte verstolpert – man bedenke allein die Anzahl an Museen, von denen in den letzten Monaten die Rede war: von einem Ballett-, einem Beatles-, einem Terrormuseum. Wieviel davon ist ernst gemeint, und woher sollen die laufenden Gelder für diese Projekte kommen?“
Voreiligkeit bescheinigt Maier der Senatorin auch in puncto Kammerspiele: „Natürlich war der Handlungsspielraum klein, weil Erbpächter Jürgen Hunke tatsächlich den Intendanten einstellen kann. Aber Frau Horáková hat öffentlich so getan, als ob sie mit Dominique Horwitz die Lösung des Problems präsentieren könnte, obwohl noch kein Vertrag unterschrieben war. Über die Lösung mit Axel Schneider vom Altonaer Theater muss sie dann so froh gewesen sein, dass sie, ohne ein Konzept zu sehen, die volle Subventionssumme zugesichert hat.“
Vielleicht fehlt hier der politische Wille, vielleicht das Interesse an Details. Ebenso klar scheint, dass Dana Horáková nicht die konzeptionelle Kraft aufbringen wird, das Subventions-Ungleichgewicht zwischen Schauspielhaus und Thalia aufzubrechen; ersteres bekommt rund vier Millionen Euro mehr. „Ein Ungleichgewicht, für das es – außer dem Argument, dass dies historisch gewachsen ist – keinen Grund gibt“, sagt Maier. „Durch Aufwand, Zuschaueraufkommen und Qualität ist die finanzielle Schlechterstellung des Thalia nicht gerechtfertigt.“
Patente hat der GAL-Abgeordnete allerdings auch nicht parat: „Die Mittel werden nicht mehr. Eine mittelfristige Lösung könnte ein gemeinsames, norddeutschlandweites Marketing sein, zu dem die Theater unterschiedliche finanzielle Beiträge leisten. Überhaupt wäre es sinnvoll, wenn die großen Häuser das Umland-Publikum stärker einbezögen. Aber dies sind Gedankenspiele. Jedenfalls hätte Hamburg durchaus Möglichkeiten, seine kulturelle Breitenwirkung auszubauen.“
Vorschläge, die Dana Horáková wohl zu kleinteilig fände, pflegt sie doch eine Mixtur aus Abscheu gegenüber Detailarbeit vor Ort und Vorschlägen, deren latenter Größenwahn den Verdacht der Provinzialität geradezu erzwingt. Eine auch psychologisch kaum zu greifende Spannung, die recht einzigartig ist im traditionell schleudersitzbewehrten Kultursenatoren-Ressort. Aber irgendwann ist eben immer das erste Mal...