Freistilringen nicht ohne Chiffrierungen

Was machen mit einem undankbaren Format? Im Programm „Der Stand der Dinge“ zeigt das Metropolis diesmal überwiegend inszenierte Kurzfilme von Studierenden der HfbK

Der Kurzfilm ist ein undankbares Format. Weil die Zeit fehlt, Figuren allmählich aufzubauen, muss er wohl etablierte Stereotype skizzieren. Weil er seine Geschichten nicht auserzählen kann, muss die Dramaturgie tricksen – gern enden kurze Filme als Gag, Ellipse oder Tagtraum. Und weil die Welt des kleinen Filmes nicht weniger komplex ist als jene des großen, verdichtet sich jedes einzelne Bild zur Chiffre eines Universums. Beim „Stand der Dinge“, dem Kurzfilmabend von HfbK-Studierenden, ringen junge Regisseure mit diesen Vorgaben des Formats.

Sabine Steyer will in Könige mit Königreich ein Stereotyp knacken, jenes der bedauernswerten Klofrau. Miniinterviews mit Angestellten öffentlicher Toiletten sind zerstückelt in Minikapitel. Ein Fetzen Klopapier verkündet: „Ihr Leben“ – Der Plural bestätigt ungewollt, dass der Film gerade keinen Zugang findet zu den Individuen hinterm Trinkgeldteller. Stattdessen – zwischengeschnitten – ein anonymes Techtelmechtel aus Schuhpaaren und Gute-Laune-Beat: keep movin‘.

Wie Jungs sich ein Wochenende unter Mädels so vorstellen fasst 4 o‘clock von Matthias Stähle in Einzelbildsequenzen. Fauler Lenz im Zeitraffer: Telefontratsch, die Allegra durchblättern, Ally McBeal gucken, fünfmal Klamotten wechseln, Pudern, Pinseln und ab in den Club, Lover antanzen. Letzteres in genüsslicher Zeitlupe. Mittags mit Café latte im Bett, jetzt müsste dringend eine originellere Idee folgen, doch der Digitalwecker zählt weiterhin leere Stunden.

Aus Matrix, Brazil, Orwells 1984 und van Goghs Krähenbildern hat Bettina Herzner die optischen Codes für Picknick entliehen. Fleißig dekoriert die Ausstattung eine Endzeitvision zwischen Genlabor und Virtual Reality. „Aber da draußen kann man doch gar nicht leben“, zweifelt das Heldenpärchen, bevor es die Flucht dennoch wagt. Deren abruptes Ende markiert die Schwierigkeit, einen Langfilmplot im Kurzfilm unterzubringen.

Die ironische Subversion von Orwells Überwachungsstaat betreibt Don‘t enter von Jürgen Hansen. Obrigkeit wird ohnmächtig, buchstäblich überrollt von ewiger Partylaune ewiger Gäste. Hoch über allem thronen diktatorische Spaßverwalter auf XXL-Buffalos. Als ausgesucht trashige Kolportage auf Hamburg-Tatort, Ego-Shooter und Daft Punk-Clip verwurstet der Film seine Bilder just so lange, bis von irgendwoher ein neues Gimmick in die Action- und Effektrecycling-Tonne plumpst. „Und jetzt: die Bonusfrucht!“

In Der einzige in drei Teilen von Tatjana Sarah Greiner und Tim Albert Voss lavieren sich schöne, kühle Menschen zwischen Kant, Rousseau, Camus, Treibhauspoesie und Wannenbadsex durch einen Diskurswulst, der sich hochtönend seiner optischen Metaphorisierung widersetzt. Zitate von Freiheit, Recht und Pflicht sollen mal die saure Gurke, mal das Malen-nach-Zahlen konterkarieren. „Authentische Erfahrung“ verheißt ein Nadelstich in die Steckdose. Der Film ist derart chiffriert, man wünscht sich ein bisschen Gelassenheit. Urs Richter

Do, 21.15 Uhr, Metropolis