: Angst vor Angloamerika
Arabische Presseschau (2): Von Resignation bis Begeisterung reichen die Reaktionen der führenden Zeitungen in Iraks Nachbarschaft. Einig sind sich aber alle, dass die Probleme jetzt erst beginnen
von ADBEL MOTTALEB EL HUSSEINI
Das schnelle Verschwinden des irakischen Regimes von der Bildfläche hat die arabische Presse überrascht. Das Ende Saddams war zwar erwartet worden, aber nicht in diesem Tempo und erst recht nicht zu diesem niedrigen Preis. Zudem ist nun die schon lange befürchtete amerikanische Besatzung einer arabischen Hauptstadt nackte Wahrheit geworden.
Die arabische Presse analysiert die Ursachen der dramatischen Entwicklung in Bagdad, ihre Folgen und Perspektiven. „Und am 9. April ist Bagdad und Saddams Denkmal gefallen“, titelt die in London erscheinende saudische Zeitung Al Hayat auf ihrer erste Seite. Sie berichtet über einen angeblichen Deal zwischen dem irakischen Regime und den USA, „um den Krieg in den sunnitischen Städten zu verhindern“.
Dies sei eine plausible Erklärung für die kampflose Übergabe Bagdads an die US-Marines. Die Zeitung fasst die Reaktionen der Region so zusammen: „Schock in Syrien, Gefühle des Scheiterns in Ägypten und Sorge in Teheran.“
Die libanesische Zeitung Assafir zieht eine düstere Bilanz der Regierungszeit des irakischen Diktators. Sie schreibt in ihrem Kommentar: „Saddam hat ein Wunder vollbracht. Er hat das Rad der Geschichte für Generationen zurückgedreht, in dem er den Kolonialismus zurückgebracht hat.“ Sie ruft weiter „zum Widerstand auf gegen die Besatzung und gegen die amerikanischen Generäle der Demokratie, die Raketen als Träger hat, und gegen ihre Agenten.“
Die Beiruter Zeitung Annahar beurteilt den Fall Bagdads ganz anders und vergleicht das historische Ereignis mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Sturz der Diktaturen in Rumänien und Serbien. Folglich sei Saddams Absetzung ein „Dienst für die Freiheit und Demokratie in unserer arabischen Welt“.
Über den Fall Bagdads in die Hände der amerikanischen Truppen berichtet die ägyptische Zeitung Al Ahram ausführlich. Die Forderungen des ägyptischen Präsidenten Mubarak, die Iraker sollten sich selbst regieren und die Amerikaner praktische Schritte zur Lösung des Palästina-Problems unternehmen, werden hervorgehoben.
Die Zeitung entlarvt die US-Rede über die Einführung der Demokratie in Irak als Feigenblatt, das nun gefallen sei. Das wahre Ziel des Krieges seien die Sicherung des Öls und die Garantie der israelischen Sicherheitsinteressen. Die Zeitung warnt die arabische Welt vor zwei zerstörerischen Perspektiven: der Kapitulation und dem nicht durchdachten Einsatz der Möglichkeiten der arabischen Welt.
Die saudische Zeitung Al-Jazirah äußert in ihrem Kommentar die Befürchtung vor einem Machtvakuum im Irak. Die Gefahren von Selbstjustiz und blutiger Abrechnung seien nach dem Fall Saddam Husseins im Irak sehr groß, vor allem vor dem Hintergrund, dass das Regime am Vorabend des Krieges Waffen an die Bevölkerung verteilt hatte. Die Zeitung sieht die Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung im Irak als dringende Aufgabe an. Dazu sollten die Iraker selbst beitragen.
Wie das konkret geschehen solle und welche Rolle dabei die Besatzungsmacht spielen müsse, lässt die Zeitung unerwähnt. Sie bringt nur die Besorgnis der Regierenden vor einem Zerfall des irakischen Staates zum Ausdruck. Eine solche Entwicklung hätte schwere Konsequenzen für Saudi-Arabien.
Die palästinensische Zeitung Al Quds analysiert die Ursachen des Bagdader Falls. Dazu gehören das massive Bombardement der Stadt und die Unterstützung der US-Invasion durch arabische Staaten und Iraker. Die Besetzung Bagdads sei ein dramatisches Ereignis, eine Katastrophe. Sie erinnere an die Zerstörung der Stadt durch die Mongolen im 13. Jahrhundert. Der angloamerikanische Sieg wecke den Appetit der Kolonialisten, mehr arabische Hauptstädte zu verschlingen und die arabische Welt politisch und kulturell nach ihren Bedürfnissen zu formieren. Dies werde allerdings nach Ansicht der Zeitung nicht das letzte Wort der Geschichte sein. „Bagdad wird sehr bald sich erheben.“