Kirkuk befreit, Türkei ensetzt

Kurden und US-Amerikaner marschieren in Kirkuk im Nordirak ein. Türkei will Militärbeobachter entsenden. Schwere Angriffe auf Tikrit. Deutsche Botschaft in Bagdad geplündert. Bundeskanzler fordert rasche Einsetzung einer irakischen Regierung

BAGDAD/BERLIN dpa/taz ■ Nach der Einnahme von Bagdad droht im Norden Iraks ein Konflikt zwischen den Kurden und der Türkei. Britische und türkische Sender meldeten am Donnerstag die Besetzung der Stadt Kirkuk durch kurdische Milizen und US-Spezialeinheiten. Kirkuk mit einer halben Million Einwohnern ist ein Zentrum der Ölförderung im Norden. Die Türkei kündigte daraufhin die Entsendung von Militärbeobachtern an. Bundeskanzler Schröder forderte gestern eine rasche Übergabe der Macht an eine demokratisch legitimierte irakische Führung.

Bei ihrem Einmarsch in Kirkuk seien die kurdischen Milizen und US-Spezialeinheiten nicht auf Widerstand gestoßen, berichteten BBC und der türkische Sender NTV. Die Türkei hat vor Beginn des Krieges mit der Entsendung eigener Truppen gedroht, sollten Kurden Kirkuk besetzt halten. Die USA hatten gegenüber Ankara zugesichert, das militärische Vorgehen im Norden mit der Türkei abzustimmen. „Wir haben sie an ihre Garantien erinnert“, sagte Außenminister Abdullah Gül. Der US-Sender CNN meldete am 22. Kriegstag die bisher schwerste Bombardierung irakischer Stellungen im Norden des Landes. Erstmals würden auch größere US-Panzerverbände eingesetzt. Auch Tikrit, die Heimatstadt von Saddam Hussein, wurde aus der Luft angegriffen. Militärexperten rechnen dort noch mit irakischer Gegenwehr.

In Bagdad sei die Lage relativ ruhig, berichteten dpa-Korrespondenten. Allerdings sei die deutsche Botschaft ebenso wie die kanadische geplündert worden. Auch der Palast des Sohnes von Saddam Hussein, Udai, wurde von Irakern leer geräumt. Die Bürger hätten sich aber überwiegend in ihre Häuser und Wohnungen zurückgezogen, sagte ein CNN-Reporter. Er habe „enorme Zerstörungen“ bei seiner Fahrt durch südliche Vororte der Fünf-Millionen-Stadt gesehen. Das Schicksal des 65-jährigen Saddam Hussein ist weiter unklar. Es gibt Gerüchte, dass er in seine Heimatstadt Tikrit oder in die Kleinstadt Bakuba geflüchtet sein könnte.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die USA vor Militärschlägen gegen weitere Länder nach Ende des Irakkriegs gewarnt. „Ich warne vor Wiederholungen“, sagte er gestern in einem Interview mit RTL. Prominente US-Politiker hatten wiederholt Syrien und Iran als mögliche Ziele von US-Angriffen genannt. Schröder sprach sich für die möglichst rasche Übergabe der Macht an eine demokratisch legitimierte irakische Führung aus. Diese neue Regierung in Bagdad müsse über die Fragen des Wiederaufbaus entscheiden. „Makaber“ nannte der Kanzler die Debatte, „wer wann welche Aufträge“ für den Wiederaufbau bekomme. Jetzt müsse es darum gehen, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Schröder sieht keinen Grund, von der strikten Ablehnung des Krieges im Nachhinein abzurücken. Er betonte, dass der heutige Dreiergipfel zwischen Deutschland, Russland und Frankreich in Sankt Petersburg „gegen niemanden gerichtet“ sei. Am Dienstag will Schröder mit dem britischen Premier Tony Blair in Hannover zusammentreffen. GB