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Archiv-Artikel

Kritik an US-Plan wächst

Erweiterung des irakischen Verwaltungsrat als möglicher Kompromiss. UN gegen Direktwahl vor dem 30. Juni. Zwei US-Soldaten bei Anschlag getötet

BAGDAD/LONDON ap/afp/rtr ■ In der irakischen Führung wächst der Widerstand gegen den US-Plan zur Bildung einer neuen Regierung. Nach einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi signalisierten gestern mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats Zustimmung zu einem Kompromissvorschlag. Danach soll am 30. Juni ein erweiterter Verwaltungsrat die Macht übernehmen und noch in diesem Jahr Wahlen organisieren. Der US-Plan sieht vor, die Mitglieder des neuen Parlaments in 18 Regionalversammlungen zu bestimmen. Die Abgeordneten sollen dann die Regierung wählen, die am 30. Juni ihr Amt antreten soll.

Gegen diesen Vorschlag hatte sich besonders der schiitische Geistliche Großajatollah Ali al-Husseini al-Sistani ausgesprochen. Ein assyrisches Mitglied des Verwaltungsrats erklärte, der US-Plan sei „noch nicht 100 Prozent tot“. Derzeit würden Alternativen diskutiert. So könne der Verwaltungsrat erweitert werden und auch Vertreter von Parteien aufnehmen, die bei der ersten Auswahl entweder nicht eingeladen worden seien oder eine Mitarbeit abgelehnt hätten.

Überdies wandte sich die UNO gegen Forderungen der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Irak nach allgemeinen Direktwahlen vor dem 30. Juni. Das UN-Expertenteam sei nach seinen Gesprächen in Irak zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Wahlen vor Ende Juni „unwahrscheinlich“ sind, sagte ein Sprecher gestern der BBC. „Die Wahlen werden stattfinden, wenn das Land bereit ist, und das wird nach dem Machttransfer sein“, fügte der Sprecher hinzu.

Unterdessen äußerten Vertreter des US-Verteidigungsministeriums die Befürchtung, dass irakische Freischärler Zugang zu Insider-Informationen der US-Verwaltung im Irak haben könnten. Nach dem Anschlag auf den US-Befehlshaber im Irak, John Abizaid, sei nicht auszuschließen, dass irakische Freischärler versuchten, die irakischen Sicherheitskräfte zu infiltrieren oder einen Maulwurf in der US-Zivilverwaltung zu platzieren. Im US-Bundesstaat Washington wurde am Donnerstag ein Mitglied der US-Nationalgarde angeklagt, Militärgeheimnisse an die radikal-muslimische Gruppe al-Qaida weitergegeben zu haben.

Bei einem Panzerfaustangriff im Westirak wurden gestern nach Angaben von Augenzeugen zwei US-Soldaten getötet und zwei weitere Amerikaner verletzt. Die Attacke ereignete sich nach Angaben der Iraker bei Morgengrauen in der als Widerstandshochburg bekannten Kleinstadt al-Chalidija, rund 90 Kilometer westlich von Bagdad.

Der frühere US-Waffeninspekteur im Irak, David Kay, mahnte die US-Regierung, Fehler in der Einschätzung des irakischen Waffenpotenzials einzuräumen. Er sei besorgt, dass mit dem Festhalten an der Hoffnung, noch Massenvernichtungswaffen zu finden, wichtige Reformen der Geheimdienste blockiert würden.